Fluggastrechte: Was sind außergewöhnliche Umstände? Nahaufnahme einer Anzeigentafel am Flughafen © istock.com/Edin

24. März 2020, 15:15 Uhr

Durchatmen Flug­gast­rech­te: Was sind außer­ge­wöhn­li­che Umstände?

Die europäische Fluggastrechte-Verordnung (261/2004/EG) sichert Flugreisenden bestimmte Ansprüche zu, etwa bei Verspätungen oder Flugausfällen. Wenn jedoch sogenannte außergewöhnliche Umstände vorliegen, kann die Airline nicht haftbar gemacht werden und muss keine Entschädigung zahlen. Kein Wunder also, dass dies relativ häufig als Grund genannt wird, wenn ein Flug verspätet ist oder annulliert wird. Schon oft mussten Gerichte entscheiden, welche Vorfälle als "außergewöhnlicher Umstand" einzuordnen sind.

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Außer­ge­wöhn­li­che Umstände: Was zählt laut Flug­gast­rech­te-Ver­ord­nung dazu?

Denn was konkret unter diesen Begriff fällt, ist in der EU-Fluggastrechte-Verordnung nicht genau definiert. Außergewöhnlich sind grob gesagt alle Gründe, die außerhalb des Einflussbereichs der Fluggesellschaft liegen und die nicht vorhersehbar waren. Recht eindeutig ist die Sache oft bei ...

  • Natur­ka­ta­stro­phen, bei­spiels­wei­se wenn Asche­wol­ken nach einem Vul­kan­aus­bruch den Flug­ver­kehr beeinträchtigen,
  • Ter­ror­ge­fahr oder poli­ti­scher Instabilität,
  • uner­war­tet schlech­ten Wet­ter­be­din­gun­gen, die für die Region und Jah­res­zeit untypisch sind.
  • Not­lan­dun­gen, zum Beispiel nach medi­zi­ni­schen Zwi­schen­fäl­len an Bord oder während des Boardings.

Außergewöhnliche Umstände können sich also auch durch rechtzeitiges Reagieren der Fluggesellschaft nicht verhindern lassen. Der Bundesgerichtshof hat in der Vergangenheit zudem beispielsweise einen Turbinenschaden aufgrund eines Vogelschlags (AZ X ZR 160/12) und eine Verspätung wegen verzögerter Landeerlaubnis (AZ ZR 115/12) als außergewöhnliche Umstände anerkannt. Die Fluggesellschaft muss dann gemäß Artikel 5 Absatz 3 der Fluggastrechte-Verordnung den Fluggästen keine oder nur eine eingeschränkte Entschädigung zahlen.

Bewertung der Situation kann vom Ein­zel­fall abhängen

Nicht eindeutig ist die Bewertung von Streiks. Bis zu einem Grundsatzurteil (AZ C-195/17) des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) im April 2018 wurden Streiks in Deutschland grundsätzlich als höhere Gewalt, also als außergewöhnlicher Umstand eingestuft. Seither kann ein Ausstand unter Umständen auch als absehbar betrachtet werden, wenn er durch eine Entscheidung der Airline ausgelöst wurde. Hier kommt es also immer auf den Einzelfall an, ob du einen Anspruch auf Erstattung hast.

Fluggastrechte: Was sind außergewöhnliche Umstände? Ein Flugzeug von vorn, dahinter graue Wolken.

Betreu­ungs­pflicht kann trotzdem bestehen

Auch wenn eine Fluggesellschaft wegen außergewöhnlicher Umstände keinen Schadenersatz leisten muss, kann sie trotzdem zur Betreuung ihrer Fluggäste verpflichtet sein. So entschied etwa der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass der Ausbruch des isländischen Vulkans Eyjafjallajökull und die darauffolgenden Sperrungen im europäischen Luftraum 2010 zwar ein außergewöhnlicher Umstand gewesen sei. Auch ohne Schadenersatzpflicht sei eine Airline in einem solchen Fall aber verpflichtet, ihre Fluggäste, die keine Anschlussflüge wahrnehmen könnten, zu betreuen – inklusive Hotelunterbringung auf Kosten der Fluggesellschaft (AZ C-12/11).

Ähnlich dürften die Gerichte die Lage angesichts der Corona-Pandemie einschätzen, die weitreichende Auswirkungen auf den weltweiten Flugverkehr hat. Der Ausbruch und die rasende Verbreitung des Coronavirus sind sehr außergewöhnliche Umstände. Das gilt auch für die damit einhergehenden Reisewarnungen. Schadenersatzansprüche könnten höchstens bestehen, wenn die Airline den Flug aus wirtschaftlichen Gründen streicht. Mehr Informationen zum Thema Privatrechtsschutz

Flug­gast­rech­te: Wann Ihnen Scha­den­er­satz zusteht

Nicht immer können sich Fluggesellschaften jedoch auf außergewöhnliche Umstände berufen, wenn ein Kunde Schadenersatz fordert. Denn in manchen Fällen hätten die Airlines durchaus Handlungsmöglichkeiten gehabt. Einige Beispiele dafür:

  • Das Amts­ge­richt Königs Wus­ter­hau­sen entschied (AZ 4 C 1942/15): Es ist kein außer­ge­wöhn­li­cher Umstand im Sinne der Flug­gast­rech­te-Ver­ord­nung, wenn ein Flugzeug bereits am Vortag von einem Blitz getroffen wurde und daher der Flug am Reisetag ausfällt. In diesem Fall habe die Airline aus­rei­chend Zeit gehabt, um für Ersatz zu sorgen, so das Gericht.
  • Wenn eine Flug­ge­sell­schaft bei win­ter­li­chen Ver­hält­nis­sen nicht aus­rei­chend Ent­ei­sungs­mit­tel vorrätig hat, ist das gemäß einer Ent­schei­dung des Ober­lan­des­ge­richts Bran­den­burg kein außer­ge­wöhn­li­cher Umstand (AZ2 U 3/13).
  • Ebenso entschied das Amts­ge­richt Hannover in einem Fall, in dem eine ver­spä­te­te Abfer­ti­gung durch das Boden­per­so­nal zu einer Flug­ver­spä­tung führte (AZ 522 C 7701/12).

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