Pflegezeit beantragen: Diese Möglichkeiten hast du als Angehöriger © iStock.com/FG Trade

9. Juni 2022, 7:00 Uhr

Darf ich eigentlich? Pfle­ge­zeit bean­tra­gen: Diese Mög­lich­kei­ten hast du als Angehöriger

Die Pflege von Angehörigen bedeutet hohen zeitlichen Aufwand und führt bei Berufstätigen nicht selten zu Stress. Angst um deinen Arbeitsplatz musst du aber nicht haben, denn: Du hast das Recht, Pflegezeit in Anspruch zu nehmen oder dich kurzfristig für die Pflege Angehöriger freistellen zu lassen. Hier erfährst du mehr zu den gesetzlichen Bestimmungen und wie du deine Rechte gegenüber deinem Arbeitgeber geltend machst.

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Pfle­ge­zeit und Fami­li­en­pfle­ge­zeit: Das ist der Unterschied

Wenn ein naher Angehöriger pflegebedürftig wird, kannst du bei deinem Arbeitgeber sogenannte Pflegezeit oder Familienpflegezeit beantragen. In beiden Fällen handelt es sich um unbezahlte Freistellung von der Arbeit.

Pflegezeit beantragen: Wenn du sogenannte Pflegezeit beantragst, kannst du dich für einen kürzeren Zeitraum voll oder teilweise von der Arbeit freistellen lassen. Hierbei hast du gemäß Pflegezeitgesetz (PflegeZG) Anspruch auf einen Pflegezeitraum von bis zu sechs Monaten.

Familienpflegezeit beantragen: Möchtest du dich nurteilweise von der Arbeit und für einen längeren Zeitraum freistellen lassen, greift das sogenannte Familienpflegezeitgesetz (FPfZG). Dieses ermöglicht dir eine Pflegezeit von bis zu 24 Monaten, um die Pflege naher Angehöriger, Job und Familie unter einen Hut zu bekommen.

Welche Personen als nahe Angehörige gelten, ist in § 7 PflegeZG geregelt. Unter anderem gehören der Partner oder Ehegatte, die eigenen Eltern, Großeltern und Kinder, aber auch die Schwiegereltern dazu.

Gut zu wissen: Die Pflegezeit und die Familienpflegezeit werden in der Regel für häusliche Pflege gewährt, bei minderjährigen Angehörigen gilt diese jedoch auch für die außerhäusliche Pflege. Das heißt, dass du auch dann Pflegezeit geltend machen kannst, wenn du dein Kind nicht selbst zuhause pflegst.

Pfle­ge­zeit bean­tra­gen: Das gilt für die Frei­stel­lung von der Arbeit

Für die Freistellung zu Pflegezwecken gilt für dich als Arbeitnehmer:

  • Einen Anspruch darauf hast du nur, wenn dein Arbeit­ge­ber min­des­tens 15 Personen beschäf­tigt – dich nicht mit eingerechnet.
  • Die Pfle­ge­zeit musst du min­des­tens zehn Arbeits­ta­ge vor Beginn der Frei­stel­lung schrift­lich bei deinem Arbeit­ge­ber ankün­di­gen. Die Ankün­di­gung muss den gewünsch­ten Frei­stel­lungs­zeit­raum beinhalten.
  • Du musst deinem Arbeit­ge­ber einen Nachweis über die Pfle­ge­be­dürf­tig­keit deines Ange­hö­ri­gen vorlegen. Diesen stellt in der Regel die Pfle­ge­kas­se oder der Medi­zi­ni­sche Dienst der Kran­ken­ver­si­che­rung (MDK) aus.
  • Du genießt während der Pfle­ge­zeit einen beson­de­ren Kün­di­gungs­schutz.
  • Die Pfle­ge­zeit muss an einem Stück genommen und darf nicht unter­bro­chen werden. Einer vor­zei­ti­gen Been­di­gung der Pfle­ge­zeit muss der Arbeit­ge­ber zustimmen.

Am besten ist es, wenn du deinen Vorgesetzten so früh wie möglich benachrichtigst. So kann auch dein Arbeitgeber frühzeitig planen, denn schließlich muss er deinen Ausfall über mehrere Monate kompensieren. Wenn möglich, solltest du zunächst das persönliche Gespräch suchen und deine private Situation erklären, damit es nicht aufgrund von Unklarheiten zu Streit kommt.

Fami­li­en­pfle­ge­zeit bean­tra­gen: Teilzeit arbeiten während der Pflegezeit

Möchtest du dich nicht voll von der Arbeit freistellen lassen und deswegen eine längerfristige Familienpflegezeit nehmen, gelten für dich als Arbeitnehmer folgende Regelungen:

  • Einen Anspruch darauf hast du nur, wenn dein Arbeit­ge­ber min­des­tens 25 Personen beschäf­tigt – Aus­zu­bil­den­de zählen hierbei nicht mit.
  • Die genaue Auf­tei­lung deiner Arbeits­zei­ten und -stunden solltest du zusammen mit deinem Arbeit­ge­ber schrift­lich festhalten.
  • Während der Fami­li­en­pfle­ge­zeit hast du eine wöchent­li­che Min­dest­ar­beits­zeit von 15 Stunden zu leisten.

Ein Wechsel von einem in das andere Pflegezeit-Modell ist möglich, muss aber nahtlos geschehen. Wichtig: Beantragst du zunächst sechs Monate vollständige Freistellung und anschließend Familienpflegezeit, so verbleiben für die Familienpflegezeit nur noch 18 Monate. Gemäß § 2 Abs. 2 FPfZG darf die Gesamtpflegezeit 24 Monate nicht überschreiten.

Aber Achtung: Möchtest du von der vollen in die teilweise Freistellung wechseln, musst du deinem Arbeitgeber mindestens 3 Monate vorher Bescheid geben – der Wechsel von Teilzeit- in die Vollzeitpflege bedarf einer Ankündigungsfrist von mindestens acht Wochen vor dem Wechsel.

Eine alte Frau pflegt ihren alten Mann. Fürsorglich hat sie eine Hand auf seine Stirn gelegt.
© iStock.com/PIKSEL

Akute Arbeits­ver­hin­de­rung und Sterbebegleitung

Neben der längerfristigen Vollzeit- und Teilzeit-Freistellung gibt es noch weitere Möglichkeiten, die Pflege von Angehörigen mit dem Beruf zu vereinbaren. Je nach Lebenssituation kommen sie eventuell als Ergänzung oder Alternative zur Pflegezeit für dich infrage.

„Pflegezeit“ für zehn Tage: Offiziell wird diese Form der Kurzzeitpflege „Freistellung durch kurzzeitige Arbeitsverhinderung“ genannt. Wird ein Angehöriger plötzlich und akut pflegebedürftig – etwa durch einen Schlaganfall –, hast du als Berufstätiger das Recht, dich spontan für bis zu zehn Tage von der Arbeit freistellen zu lassen.

Dieses Recht hat jeder Arbeitnehmer, unabhängig von der Unternehmensgröße. Zudem ist es möglich, die zehn Tage Freistellung aufzuteilen – du musst diese also nicht am Stück nehmen. Die Pflegebedürftigkeit deines Angehörigen musst du jedoch mittels ärztlicher Bestätigung gegenüber deinem Arbeitgeber nachweisen.

Begleitung in der letzten Lebensphase: Diese besondere Form der Pflegezeit kann für bis zu drei Monate in Anspruch genommen werden, wenn abzusehen ist, dass ein Angehöriger bald stirbt. Somit hast du die Möglichkeit, die sterbende Person zu Hause oder außerhäuslich angemessen zu pflegen und zu begleiten.

Deine Ansprüche auf Sozi­al­ver­si­che­rung und Gehalt während der Pflegezeit

Während der vollen Freistellung für die Pflege eines Angehörigen erhalten Arbeitnehmer grundsätzlich kein Gehalt. Lässt du dich nur teilweise von deiner Arbeit freistellen, erhältst du den deiner verkürzten Arbeitszeit entsprechenden Lohn. In beiden Fällen hast du jedoch die Möglichkeit, ein zinsloses Darlehen beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) zu beantragen.

Das Darlehen wird monatlich ausgezahlt und kann nach der Pflegezeit in Raten abbezahlt werden. Auf der Seite des BAFzA erhältst du weitere Informationen zum zinslosen Darlehen.

Für deine Sozialversicherung gilt ...

… während der Pflegezeit:

  • Deine eigene Kranken- und Pfle­ge­ver­si­che­rung entfällt während der Pfle­ge­zeit. Du musst dich selbst ver­si­chern, sofern du nicht über deinen Ehe­part­ner fami­li­en­ver­si­chert bist.
  • Pfle­ge­zeit wird als Bei­trags­zeit zur Rente gewertet. Zusätz­lich zum Min­dest­bei­trag zahlt auch die Pfle­ge­kas­se Beiträge in die Ren­ten­ver­si­che­rung ein. Pflegende Ange­hö­ri­ge sind hier also abgesichert.
  • Du bist durch ein fort­be­stehen­des Arbeits­ver­hält­nis weiterhin arbeitslosenversichert.

… während der Familienpflegezeit:

  • Du bist im Rahmen deiner Tätigkeit weiterhin gesetz­lich kranken- und pflegeversichert.
  • Dein Arbeit­ge­ber zahlt weiterhin Beiträge zur Ren­ten­ver­si­che­rung, aller­dings auf Basis des redu­zier­ten Arbeitsentgelts.
  • Du bist weiterhin arbeitslosenversichert.

Bist du sozialversicherungspflichtig beschäftigt, genießt du bei einer kurzzeitigen Arbeitsverhinderung von bis zu zehn Tagen deinen vollen Versicherungsschutz. Den Wegfall deines Gehalts für die entfallenen Arbeitstage kannst du mit Pflegeunterstützungsgeld abfedern. Dieses solltest du zeitig bei der Pflegekasse des von dir gepflegten Angehörigen beantragen.

FAZIT
  • Berufs­tä­ti­ge, die einen nahen Ange­hö­ri­gen pflegen, können unter bestimm­ten Vor­aus­set­zun­gen Pfle­ge­zeit bean­tra­gen und sich dadurch für bis zu sechs Monate von der Arbeit frei­stel­len lassen.
  • In dieser Zeit erhält der pflegende Ange­hö­ri­ge keine Vergütung vom Arbeit­ge­ber, auch die Kranken- und Pfle­ge­ver­si­che­rung entfällt.
  • Eine län­ger­fris­ti­ge Frei­stel­lung von der Arbeit ist in Form der Fami­li­en­pfle­ge­zeit für bis zu 24 Monate möglich. Der Arbeit­neh­mer ist in dieser Zeit weiterhin ver­si­chert und erhält ein ange­pass­tes Gehalt.
  • Die Pfle­ge­zeit oder Fami­li­en­pfle­ge­zeit muss min­des­tens zehn Tage vor Beginn schrift­lich beim Arbeit­ge­ber ange­kün­digt werden. Ein Nachweis über die Pfle­ge­be­dürf­tig­keit des Ange­hö­ri­gen ist notwendig.
  • In akuten Fällen kann eine kurz­zei­ti­ge Arbeits­ver­hin­de­rung von bis zu zehn Tagen beim Arbeit­ge­ber geltend gemacht werden.
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