
17. Juli 2025, 11:39 Uhr
Fake oder Fakt? Fluchtweg Treppenhaus: Diese Vorschriften solltest du kennen
Deine Nachbarn haben ihren Kinderwagen, Schuhe oder andere Gegenstände im Hausflur abgestellt? Das kann gefährlich werden. Denn im Falle eines Brandes dient das Treppenhaus als Fluchtweg. Welche Vorschriften gelten und wie viele Fluchtwege ein Mehrfamilienhaus besitzen sollte, erfährst du hier.
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Was ist ein Fluchtweg? Definition und gesetzliche Vorschriften
Fluchtwege dienen im Notfall dazu, schnell einen Ausweg aus einer gefährlichen Situation zu finden, etwa bei einem Brand. Dieser Weg muss nicht immer durch ein Treppenhaus bzw. die Haustür führen, auch Fenster, Dächer oder Keller können als Fluchtwege dienen.
Im Zuge des Brandschutzes müssen Fluchtwege bestimmte Anforderungen erfüllen:
- europaweit geltende DIN-Normen
- Musterbauordnung der Bundesländer
- Brandschutzverordnungen der Bundesländer (auch Brandschutzordnung, kurz BSO)
Aus diesen Verordnungen geht hervor, dass Bauherren bzw. Eigentümer und Vermieter dazu verpflichtet sind, Fluchtwege bereitzustellen und diese ordnungsgemäß zu kennzeichnen. Dies gehört zur sogenannten Verkehrssicherungspflicht.
Die Verordnungen legen außerdem fest,
- welche Kennzeichnung in welchen Wohnhäusern angebracht werden müssen.
- wie viele Fluchtwege vorhanden sein sollen.
- welche sogenannte Brandlast in den Fluchtwegen bestehen darf, d. h. wie viel leicht brennbares Material oder Gegenstände dort gelagert werden dürfen.
Fluchtweg und Rettungsweg: Wo ist der Unterschied?
Der Unterschied zwischen Fluchtweg und Rettungsweg besteht darin, dass Rettungswege speziell für Rettungskräfte gedacht sind. Über einen Rettungsweg sollen sie schnellen Zugang zu Gebäuden erlangen, um z. B. Verletzte zu bergen oder zu versorgen und diese abzutransportieren – ähnlich einer Rettungsgasse.
Achtung: Reine Rettungswege dürfen in der Regel nur von Rettungskräften betreten werden. Oft kann ein Fluchtweg aber zugleich Rettungsweg sein, etwa im Mehrfamilienhaus.
Breite und Brandlast vom Fluchtweg im Mehrfamilienhaus
Generell gilt für Fluchtwege in Wohnhäusern eine Mindestbreite von 80 Zentimetern im Treppenhaus und mindestens einem Meter im Hausflur. Doch: Treppenhäuser, die von mehreren Wohnparteien genutzt werden, sind oft mit Alltagsgegenständen zugestellt.
Abgestellte Kinderwagen, Schuhe oder gleich ganze Schuhregale, Putzutensilien, Pflanzen oder der Restmüll, der runtergebracht werden will, engen den Fluchtweg erheblich ein. Das kann bei einem Brand dazu führen, dass weniger Platz für eine Flucht bleibt oder das Feuer auf diese Gegenstände überspringt und eine Flucht verhindert.
Was du im Treppenhaus abstellen darfst und was nicht, regelt oftmals die Hausordnung. Gut zu wissen: Generelle Verbote, Kinderwägen, Rollatoren oder Fahrräder im Treppenhaus abzustellen, sind unzulässig. Der Vermieter hat allerdings das Recht, dies unter gewissen Umständen zu untersagen, wenn z. B.
- andere Möglichkeiten bestehen, diese unterzustellen, wie etwa in einem Fahrradraum im Keller – so urteilte das Landgericht Hannover (AZ 20 S 39/05),
- die abgestellten Gegenstände so platziert sind, dass sie den Fluchtweg versperren oder den Fluchtweg erheblich verengen.
Für Rollatoren und Rollstühle gelten allerdings gewisse Ausnahmen, da sie notwendige Fortbewegungsmittel darstellen. Verbietet dir dein Vermieter das generelle Abstellen deines Rollators im Treppenhaus, ist das sittenwidrig, wie der Bundesgerichtshof (BGH) urteilte (AZ V ZR 46/06). Diese sollten allerdings – wenn möglich – zusammengeklappt werden.
Für Kinderwagen gilt: sie müssen jederzeit von anderen Personen im Notfall zur Seite bewegt werden können (AZ 63 S 487/08) – so entschied das Landgericht Berlin. Sie dürfen also nicht im Flur angekettet werden.

Zweiter Fluchtweg im Mehrfamilienhaus?
In einem Mehrfamilienhaus können Flucht- und Rettungsweg prinzipiell derselbe Weg sein. Der einfachste Weg, um aus dem Gebäude zu flüchten oder Einwohner zu retten, stellt meist das Treppenhaus und die Eingangstür dar.
Oftmals ist jedoch von erstem und zweitem Fluchtweg die Rede, genau genommen von „Hauptfluchtweg“ und „Nebenfluchtweg“. Der erste Flucht- bzw. Rettungsweg muss entweder direkt oder über eine Treppe ins Freie führen.
Der zweite Fluchtweg sollte über eine der folgenden Optionen sichergestellt sein:
- ein weiterer Ausgang
- zusätzliche Treppe (z. B. außen am Gebäude, eine sogenannte Feuerleiter)
- Stelle, die für Rettungskräfte zu erreichen ist, wie z. B. ein Balkon
Der zweite Flucht- bzw. Rettungsweg muss es der Feuerwehr ermöglichen, Bewohner aus dem Gebäude zu retten. Spätestens, wenn ein Gebäude so hoch ist, dass die Feuerwehr die oberen Stockwerke nicht mehr mit einer Drehleiter erreicht, muss ein zweiter Flucht- bzw. Rettungsweg vorhanden sein. Daher haben Hochhäuser meist ein zweites Treppenhaus.
Einige Mehrfamilienhäuser besitzen z. B. auch einen zweiten Ausgang „nach hinten“ raus, der ebenfalls als zweiter potenzieller Fluchtweg dienen kann. Oder aber, es ist den Bewohnern möglich, durch eine Kellertür zu fliehen.
Achtung: In kleineren Mehrfamilienhäusern mit etwa sechs Wohnparteien ist der Fluchtweg meist nicht speziell gekennzeichnet. In größeren Wohnhäusern bzw. Hochhäusern, die über mehrere Aus- und Eingänge bzw. Treppenhäuser verfügen, sollten Fluchtwege unbedingt beschildert sein.
Darf man die Haustür im Mehrfamilienhaus abschließen?
Nein. Denn das Abschließen der Haustür in einem Mehrfamilienhaus versperrt einen wichtigen Fluchtweg. So entschied das Landgericht Frankfurt am Main (AZ 2-13 S 127/12).
Angenommen, einer deiner Nachbarn schließt abends die Haustür ab und es bricht ein Feuer aus. In Panik denkt niemand daran, den eigenen Haustürschlüssel mitzunehmen – und schließlich stehst auch du vor einer verschlossenen Haustür und kommst nicht raus. Das kann im Zweifel lebensgefährdend sein.
Ebenso gefährlich sind defekte Rauchmelder – ob dein Vermieter oder du für die Installation und Wartung zuständig ist, erfährst du in unserem Ratgeber zum Thema Rauchmelder.
FAQ
- Was ist ein Fluchtweg?
Ein Fluchtweg ist ein Weg, der die Möglichkeit bietet, im Notfall schnell aus einer Gefahrensituation zu entkommen. In einem Mehrfamilienhaus ist der Fluchtweg in der Regel das Treppenhaus bzw. der Flur.
- Wie breit muss ein Fluchtweg im Treppenhaus sein?
In Mehrfamilienhäusern gilt für den Fluchtweg eine Mindestbreite von 80 Zentimetern für den Treppenbereich und von mindestens einem Meter für den Hausflur. Das Abstellen von Gegenständen kann diesen Fluchtweg erheblich beengen, weshalb dies gemäß Hausordnung unter gewissen Voraussetzungen untersagt werden kann.
- Wie viele Fluchtwege braucht man?
Grundsätzlich sollten immer zwei Flucht- bzw. Rettungswege zur Verfügung stehen. Im Mehrfamilienhaus stellt das Treppenhaus bzw. die Haustür den ersten Fluchtweg dar, der zweite Fluchtweg ist meist etwa der Balkon, über den die Feuerwehr im Notfall Einwohner retten kann.
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