
27. August 2025, 18:02 Uhr
So geht’s richtig Privatinsolvenz beantragen: Wissenswertes zu Dauer, Ablauf und Freibeträgen
Wenn Rechnungen sich stapeln, Mahnungen ins Haus flattern und das Konto schon lange im Minus ist, fühlt sich das Leben schnell wie eine Sackgasse an. Doch auch in scheinbar ausweglosen Situationen gibt es eine zweite Chance: die Privatinsolvenz. Sie ist kein einfacher Schritt, aber sie eröffnet die Möglichkeit, innerhalb weniger Jahre schuldenfrei neu zu beginnen. Wie das funktioniert, erfährst du hier.
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Was ist Privatinsolvenz?
Die Privatinsolvenz, im rechtlichen Kontext Verbraucherinsolvenz genannt, ist ein gesetzlich geregeltes Verfahren zur Entschuldung natürlicher Personen. Ziel ist die Restschuldbefreiung: Nach Abschluss des Verfahrens löscht das Gericht alle noch bestehenden Schulden der Person, auch wenn diese nicht vollständig beglichen wurden.
Privatinsolvenz beantragen können Privatpersonen sowie ehemals Selbstständige mit „überschaubaren Verhältnissen“ – das bedeutet konkret: Um Privatinsolvenz zu beantragen, darfst du maximal 19 Gläubiger und keine offenen Forderungen aus Arbeitsverhältnissen (z. B. nicht gezahlte Löhne) vorweisen. Gläubiger sind diejenigen Personen bzw. Institutionen, denen du Geld schuldest – etwa ein Onlineshop.
Eine „Mindestquote“, wie viel Prozent deiner Schulden du während der Privatinsolvenz begleichen musst, gibt es seit 2020 nicht mehr. Das bedeutet: Auch wer gar nichts an Schulden begleichen kann, hat die Chance auf einen schuldenfreien Neuanfang.
Allerdings können nicht alle Schulden erlassen werden, wie etwa
- Unterhaltsschulden
- Geldstrafen oder Forderungen aus vorsätzlichen Straftaten
Hoch verschuldet? Hier findest du Hilfe
Du merkst, dass dir deine Schulden über den Kopf wachsen und immer mehr unbezahlbare Rechnungen auflaufen? Unterstützung findest du bei:
Wegen hoher Nachfrage solltest du mit Wartezeiten rechnen. Tipp: Achte unbedingt auf seriöse Beratung: Keine Vorkasse, transparente Kosten, keine Erfolgsversprechen.
Privatinsolvenz beantragen: Voraussetzungen und Maßnahmen
Um einen Antrag auf Privatinsolvenz stellen zu können, musst du zahlungsunfähig oder überschuldet sein. Das ist der Fall, wenn du deine fälligen Rechnungen nicht mehr begleichen kannst oder deine Schulden höher sind als dein Vermögen. Um den Überblick zu gewinnen, solltest du alle Unterlagen sortieren – zu Gläubigern, Forderungshöhen, deinem Einkommen, deinem Vermögen und deinen Versicherungen.
Wichtig zu wissen: Vor dem eigentlichen Antrag auf Privatinsolvenz ist ein außergerichtlicher Einigungsversuch Pflicht. Gemeinsam mit einer Schuldnerberatung oder einem Anwalt erstellst du einen Schuldenbereinigungsplan. Dieser schlägt z. B. Ratenzahlungen oder Teilverzichte vor.
Stimmen deine Gläubiger einem Schuldenbereinigungsplan zu, entfällt die Insolvenz. Lehnen sie ab, erhältst du eine Bescheinigung über das Scheitern – diese ist zwingend erforderlich für den Insolvenzantrag.

Privatinsolvenz: Dauer, Fristen und Folgen für Bonität
Seit Oktober 2020 dauert eine Privatinsolvenz drei Jahre, gerechnet ab der Verfahrenseröffnung. Für Anträge, die zwischen Dezember 2019 und September 2020 gestellt wurden, gelten Übergangsregelungen, die die Laufzeit stufenweise verkürzen.
Etwas anders sieht es aus, wenn du bereits einmal eine Restschuldbefreiung erhalten hast. Ein Zweitverfahren dauert in der Regel fünf Jahre, bevor ein wirtschaftlicher Neustart für dich möglich ist.
Die Dauer kann sich auch verkürzen, wenn es während des Verfahrens über den sogenannten Insolvenzplan zu einer Einigung kommt: Du schlägst den Gläubigern – etwa mithilfe einer Einmalzahlung durch Angehörige oder aus einer Erbschaft – eine schnellere und für sie vorteilhaftere Lösung vor.
Stimmen die Gläubiger mehrheitlich zu und bestätigt das Gericht den Plan, kann das Insolvenzerfahren bereits nach wenigen Monaten beendet sein. Umgekehrt droht eine Verlängerung oder sogar das Scheitern, wenn Pflichten verletzt werden – etwa durch falsche Angaben oder das Eingehen neuer, unangemessener Schuldenverhältnisse.
Wichtig zu wissen: Die Insolvenz wird bei der Schufa eingetragen. Seit 2023 löscht die Schufa den Eintrag zur Restschuldbefreiung bereits sechs Monate nach Ende des Verfahrens. Erst dann verbessert sich deine Bonität deutlich, sodass du wieder Mietverträge, Kredite oder Handyverträge abschließen kannst. Während des laufenden Verfahrens bleibt der Eintrag bestehen.
Privatinsolvenz: Praktische Sofortmaßnahmen
Bevor das Verfahren offiziell startet, kannst du schon einiges tun, um dich rechtlich abzusichern und den Überblick zu behalten:
- Richte ein Pfändungsschutzkonto (P-Konto) ein. Dieses Konto schützt automatisch einen Grundfreibetrag vor Pfändungen.
- Führe in deinem Haushalt getrennte Konten, damit Einkommen eines nicht verschuldeten Partners nicht gefährdet ist.
- Prüfe deine Unterhaltspflichten, da sie deinen Freibetrag erhöhen.
- Behalte Fristen und Posteingänge sorgfältig im Blick, um keine wichtigen Termine zu verpassen.
Ablauf einer Privatinsolvenz: Vom Antrag bis zur Restschuldbefreiung
Der Ablauf ist gesetzlich klar geregelt und besteht aus mehreren Schritten:
- Außergerichtlicher Einigungsversuch: Dieser ist verpflichtend und muss dokumentiert werden. Bei Scheitern stellt die Schuldnerberatung eine Bescheinigung aus.
- Antrag beim Amtsgericht: Neben dem Insolvenzantrag wird gleichzeitig die Restschuldbefreiung beantragt. Das Gericht prüft Unterlagen, Gläubigerlisten und ggf. einen gerichtlichen Einigungsversuch.
- Verfahrenseröffnung: Das Gericht bestellt einen Treuhänder, der die Insolvenzmasse erfasst und „Pfändbares“ verwertet. Gleichzeitig besteht Vollstreckungsschutz.
- Wohlverhaltensphase: Drei Jahre lang bist du verpflichtet, jede zumutbare Arbeit anzunehmen, pfändbare Einkünfte abzuführen und alle Änderungen mitzuteilen. Neue Schulden sollten unbedingt vermieden werden.
- Optional vorzeitige Beendigung: Das Insolvenzverfahren kann etwa über einen Insolvenzplan oder eine nachträgliche Einigung vorzeitig beendet werden.
- Restschuldbefreiung: Nach drei Jahren entscheidet das Gericht, ob du von den verbleibenden Schulden befreit wirst. Ausgenommen bleiben z. B. vorsätzlich verursachte Schäden, Unterhaltsrückstände oder Steuerschulden bei Straftaten.
Nach der Restschuldbefreiung musst du noch eventuell gestundete Verfahrenskosten begleichen. Aber: Deine Bonität wird sich mit der Zeit erholen – und somit ist dir der Weg in ein schuldenfreies Leben möglich.

Einkommen, Freibeträge und Vermögen: Was bleibt, was ist pfändbar?
Während der Insolvenz musst du den pfändbaren Teil deines Einkommens an den Treuhänder abtreten. Dazu zählen auch Sonderzahlungen wie Weihnachtsgeld (über einer bestimmten Freigrenze) oder Steuererstattungen. Alles, was nicht zum alltäglichen Leben oder zur Berufsausübung notwendig ist, fällt in die Insolvenzmasse.
Geschützt sind folgende Gegenstände:
- Kleidung
- einfache Möbel zum alltäglichen Leben
- Haushaltsgeräte
- Arbeitsmittel, wie etwa ein Arbeitslaptop oder Werkzeuge
Ein Auto darfst du nur behalten, wenn du es zwingend beruflich oder aus gesundheitlichen Gründen brauchst. Ist das Fahrzeug besonders wertvoll, kann ein Austausch gegen ein günstigeres Modell verlangt werden.
Eine Mietwohnung bleibt in der Regel erhalten, solange du die Miete weiterzahlst. Kautionen oder Genossenschaftsanteile sind meistens geschützt, können aber bei Umzug oder Auflösung verwertet werden. Eigentum wie ein Haus oder eine Eigentumswohnung wird dagegen in aller Regel verkauft.
Zuflüsse wie Erbschaften sind zur Hälfte an den Treuhänder abzuführen, Gewinne (z. B. aus Lotterien) vollständig. Übliche Geschenke oder kleine Aufmerksamkeiten dürfen behalten werden.
Wie viel dir bleibt, regelt die Pfändungstabelle nach § 850c Zivilprozessordnung (ZPO):
- Ohne Unterhaltspflichten sind 1.559,99 Euro monatlich unpfändbar.
- Mit einer unterhaltspflichtigen Person steigt der Freibetrag um 585,23 Euro auf rund 2.150 Euro.
- Bei jeder weiteren Unterhaltspflicht erhöht sich der Pfändungsfreibetrag um zusätzliche 326,04 Euro.
Gut zu wissen: Gibt es besonderen Mehrbedarf, etwa hohe Fahrtkosten zur Arbeit oder überdurchschnittlich hohe Mieten, kannst du eine Erhöhung des Freibetrags beim Gericht beantragen.
Kosten einer Privatinsolvenz
Für Gericht und Treuhänder fallen mindestens rund 2.000 Euro an. Grundlage hierfür ist die sogenannte Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung (InsVV). Hinzu können Anwaltskosten kommen. Wenn du die Kosten nicht sofort zahlen kannst, kannst du beim Gericht eine Stundung beantragen. Die Gebühren werden dann erst nach Verfahrensende in Raten fällig.
Unterstützend gibt es zudem die Möglichkeit der Beratungshilfe: Dabei übernimmt der Staat die Kosten für eine rechtliche Beratung durch Anwälte oder Schuldnerberatungen. Allerdings ist das nur für den außergerichtlichen Teil möglich, also für den Versuch einer Einigung mit den Gläubigern und die Ausstellung der Bescheinigung über dessen Scheitern.
FAQ
- Was ist Privatinsolvenz?
Die Privatinsolvenz ist ein gerichtliches Verfahren, mit dem überschuldete Privatpersonen nach drei Jahren schuldenfrei werden können.
- Wo kann man Privatinsolvenz beantragen?
Beantragen kannst du eine Privatinsolvenz beim zuständigen Amtsgericht an deinem Wohnsitz. Zuvor solltest du dich von einer Schuldnerberatungsstelle (Schuldnerberater) beraten lassen.
- Wann ist eine Privatinsolvenz nicht möglich?
Bei laufender Selbstständigkeit mit vielen Gläubigern oder Forderungen aus Arbeitsverhältnissen ist eine Privatinsolvenz nicht möglich.
Bitte lesen Sie zu dem Inhalt auch unsere Rechtshinweise.