Einkaufswagen in einer leeren Lagerhalle © iStock.com/Wicki58

8. Januar 2021, 10:28 Uhr

Durchatmen Firma insolvent – was wird aus meiner Bestellung?

Du hast gerade erst deine Bestellung aufgegeben, womöglich schon eine Anzahlung geleistet – und dann kommen dir beunruhigende Gerüchte zu Ohren: Der Händler soll tief in den roten Zahlen stecken. Was wird jetzt aus deiner Lieferung? Wie stehen die Chancen, bereits vorab geleistete (Teil-)Zahlungen zurückzubekommen? Und wie sieht es mit möglichen Reklamationen von kürzlich gelieferten Waren aus? Mit welchen Konsequenzen Verbraucher rechnen müssen, wenn eine Firma insolvent ist, erfährst du hier.

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Wann ist ein Unter­neh­men insolvent?

Wenn ein Unternehmen nicht mehr zahlungsfähig ist, ist es durch die Insolvenzverordnung (InsO) gesetzlich verpflichtet, beim zuständigen Amtsgericht Insolvenz anzumelden. Stehen noch ausreichend Mittel zur Verfügung, um die Kosten dafür zu decken, eröffnet das Gericht ein Insolvenzverfahren und gibt es öffentlich bekannt.

INFO

Wo kann ich Insolvenzen einsehen?

An deutschen Gerichten eingereichte Insolvenzverfahren kannst du online auf dem Portal www.insolvenzbekanntmachungen.de des nordrhein-westfälischen Justizministeriums recherchieren. Hier werden nicht nur Verfahren von zahlungsunfähigen Unternehmen, sondern auch Privatinsolvenzen veröffentlicht.

Das Gericht bestimmt dann einen Insolvenzverwalter, der die Geschäfte des maroden Unternehmens vorübergehend übernimmt. Wenn du bereits für Waren oder Leistungen bezahlt hast, die noch ausstehen, kommt der Insolvenzverwalter womöglich direkt auf dich zu. Er fordert nämlich alle Gläubiger des Unternehmens auf, ihre Forderungen innerhalb einer bestimmten Frist bei ihm anzumelden. Dann besteht immerhin eine theoretische Chance, zumindest einen Teil deines Geldes zurückzubekommen.

Ist eine Firma so überschuldet, dass das Amtsgericht ein Insolvenzverfahren mangels Masse gar nicht erst eröffnet, kannst du kaum damit rechnen, jemals Waren oder dein Geld wiederzusehen.

Was geschieht bei Vorauszahlungen?

Für Kunden, die schon Anzahlungen geleistet oder per Vorkasse bezahlt haben, ist eine Firmeninsolvenz besonders fatal. Der Insolvenzverwalter entscheidet, ob solche offenen Aufträge noch erfüllt werden können oder nicht. Wenn deine Bestellung nicht geliefert wird, kannst du geleistete Zahlungen zur Insolvenztabelle anmelden. Das geschieht über eine sogenannte Forderungsanmeldung, die du beim Insolvenzverwalter einreichen musst. Dabei müssen gemäß § 174 InsO bestimmte Formalitäten eingehalten werden:

  • Die For­de­rungs­an­mel­dung muss schrift­lich erfolgen. Nur wenn der Insol­venz­ver­wal­ter der Über­mitt­lung von “elek­tro­ni­schen Doku­men­ten” zuge­stimmt hat, kannst du deine Forderung auch auf digitalem Weg anmelden.
  • Höhe und Grund der Forderung müssen genau genannt werden.
  • Du solltest Dokumente beilegen, aus denen klar her­vor­geht, dass das insol­ven­te Unter­neh­men in deiner Schuld steht. Etwa durch Quit­tun­gen für geleis­te­te Anzahlungen.

Fehler in der Forderungsanmeldung können dazu führen, dass der Insolvenzverwalter sie nicht anerkennt. Im Zweifelsfall kann es deshalb sinnvoll sein, sie von einem Anwalt prüfen zu lassen.

Aber auch bei korrekter Anmeldung wirst du höchstwahrscheinlich nur einen geringen Teil des gezahlten Betrags zurückerhalten. Die Erstattung orientiert sich an der sogenannten Insolvenzquote. Dieser Wert wird abgeleitet aus dem Verhältnis von offenen Forderungen zur Insolvenzmasse, also das, was am Ende des Verfahrens noch an Vermögen da ist. Mehr als fünf Prozent der Forderung sind selten drin, häufiger ist die Insolvenzmasse so gering, dass Gläubiger komplett leer ausgehen.

Bestellt aber noch nicht bezahlt – was jetzt?

Grundsätzlich gilt: Vertrag ist Vertrag. Wenn du Waren bestellt hast, besteht in der Regel ein Kaufvertrag, den beide Seiten erfüllen müssen. Wenn du deine Bestellung erhalten hast, musst du selbstverständlich die Rechnung bezahlen.

Auf Vorkasse solltest du dich bei insolventen Unternehmen allerdings auf keinen Fall einlassen. Fordere am besten zunächst eine schriftliche Erklärung vom Insolvenzverwalter ein, ob er seinen Teil des Vertrags erfüllen – also liefern – wird. Einfach kommentarlos vom Vertrag zurückzutreten ist keine gute Idee. Im schlechtesten Fall können dann nämlich Forderungen gegen dich geltend gemacht werden.

Was gilt bei Ratenzahlung?

“Erhaltene Ware muss bezahlt werden” gilt auch, wenn beim Kauf Ratenzahlung vereinbart wurde. Ist der Händler insolvent, entbindet dich das nicht davon, den Artikel (oder auch eine bereits erhaltene Dienstleistung) vollständig zu bezahlen. Das gilt auch, wenn du vom Insolvenzverwalter aufgefordert wirst, noch ausstehenden Beträge auf ein anderes Konto zu überweisen. So etwas kommt durchaus vor, doch ein gewisses Maß an Vorsicht ist in solchen Fällen angebracht. Es kann sich auch um eine Betrugsmasche handeln. Im Zweifelsfall solltest du beim Insolvenzverwalter nachhaken.

Wie läuft es mit Widerruf und Reklamationen?

Bei Onlinekäufen besteht grundsätzlich ein 14-tägiges Widerrufsrecht, das auch bestehen bleibt, wenn die Firma inzwischen pleite ist. Allerdings kannst du dich nicht darauf verlassen, wie gewohnt automatisch den vollen Kaufpreis erstattet zu bekommen. Die Erstattung des Kaufpreises muss wie oben beschrieben beim Insolvenzverwalter angemeldet werden – Ausgang ungewiss. Tipp: Statt vom Widerrufsrecht gebrauch zu machen, kann es im Fall einer Unternehmensinsolvenz deshalb sinnvoller sein, den Artikel zu behalten und privat weiterzuverkaufen.

Wenn du noch nichts bezahlt hast, ist der Widerruf hingegen eine gute Idee, um schnell und unkompliziert aus dem Vertrag mit dem insolventen Unternehmen zu kommen.

Melden Reiseveranstalter Insolvenz an, gelten besondere gesetzliche Regelungen. Mehr darüber erfährst du in diesem Streitlotse-Ratgeber. >>

Auch der zweijährige Gewährleistungsanspruch bei defekter Ware bleibt bei Unternehmensinsolvenz bestehen. Anfallende Reklamationen können theoretisch beim Insolvenzverwalter geltend gemacht werden. In der Praxis ist es allerdings relativ unwahrscheinlich, dass mangelhafte Ware noch repariert oder ausgetauscht wird. Wird der gesetzlichen Gewährleistungspflicht nicht nachgekommen, können Kunden Schadenersatz fordern, der dann ebenfalls in die Insolvenztabelle aufgenommen wird. Sofern es eine Herstellergarantie gibt, ist es sinnvoller, Mängel darüber abzuwickeln.

Wenn der mangelhafte Artikel noch nicht vollständig bezahlt ist, können Käufer versuchen, die Reparaturkosten mit den noch ausstehenden Raten zu verrechnen. Besprich dies mit dem Insolvenzverwalter.

FAZIT
  • Um gezahlte Beträge für nicht erhaltene Waren oder Leis­tun­gen zurück­zu­ver­lan­gen, ist eine schrift­li­che For­de­rungs­an­mel­dung beim Insol­venz­ver­wal­ter nötig.
  • In der Regel wird maximal ein kleiner Teil­be­trag der geleis­te­ten Zahlung erstattet, oft gehen Kunden auch komplett leer aus.
  • Kunden müssen Raten­zah­lungs­ver­pflich­tun­gen bei Insolvenz des Unter­neh­mens weiter nach­kom­men, ggf. auf ein anderes Konto.
  • Wider­rufs­recht und Gewähr­leis­tungs­pflicht bestehen auch bei Fir­men­plei­ten, sind in der Praxis aber schwer durchzusetzen.
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