Junge Hand hält alte hand am Krankenhausbett ©pattilabelle/Fotolia

27. Juli 2019, 10:15 Uhr

Darf ich eigentlich? Ster­be­hil­fe in Deutsch­land: Die aktuelle Rechtslage

Das Thema Sterbehilfe steht seit Jahren in der Diskussion: Während aktive Sterbehilfe in Deutschland klar verboten ist, stellt sich die Rechtslage vor allem bei der Beihilfe zur Selbsttötung – auch durch Ärzte – kompliziert dar und wirft viele Fragen auf. Worum es dabei genau geht, liest du hier.

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Formen der Ster­be­hil­fe: Was bedeutet aktiv, passiv, indirekt?

Im Allgemeinen wird zwischen vier Formen der Sterbehilfe unterschieden:

  • Aktive Ster­be­hil­fe: Gezielte Tötung einer ster­be­wil­li­gen Person durch eine aktive Handlung wie etwa Ver­ab­rei­chen eines ent­spre­chen­den Mittels. Geschieht dies auf aus­drück­li­chen Wunsch des Ster­be­wil­li­gen, spricht man auch von Tötung auf Verlangen.
  • Beihilfe zur Selbst­tö­tung (assis­tier­ter Suizid): Bereit­stel­len eines Mittels zur Selbst­tö­tung, das der Ster­be­wil­li­ge dann selbst einnimmt.
  • Passive Ster­be­hil­fe: Darunter fällt etwa der Verzicht auf lebens­ver­län­gern­de Maßnahmen, sodass der begonnene Ster­be­pro­zess zuge­las­sen wird.
  • Indirekte Ster­be­hil­fe: Gabe von nicht direkt tödlichen Medi­ka­men­ten (Betäu­bungs- oder Schmerz­mit­teln) an Schwer­kran­ke unter Inkauf­nah­me des vor­zei­ti­gen Todes. Stimmt der Patient dem aus­drück­lich zu, ist das legal. Diese Art der Ster­be­hil­fe wird von Medi­zi­nern aber eher als theo­re­ti­sche Mög­lich­keit angesehen, die in der Praxis selten vorkommt.

 

Aktive Ster­be­hil­fe ist klar verboten – assis­tier­ter Suizid ist umstritten

Aktive Sterbehilfe beziehungsweise Tötung auf Verlangen ist in Deutschland gemäß § 216 Strafgesetzbuch (StGB) verboten und wird mit Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren geahndet.

Assistierter Suizid ist in Deutschland gemäß einer 2015 in § 217 StGB eingeführten Regelung dann verboten, wenn er geschäftsmäßig gefördert wird. Dies betrifft etwa Sterbehilfevereine. Gegen dieses Verbot sind aktuell (Stand Juli 2019) noch mehrere Verfassungsbeschwerden anhängig. Das Bundesverfassungsgericht will dazu im Lauf des Jahres 2019 ein Urteil verkünden.

Erlaubt ist assistierter Suizid nach aktueller Rechtslage in Deutschland, wenn die Beihilfe zur Selbsttötung – etwa das Bereitstellen eines tödlichen Medikaments – nicht geschäftsmäßig begründet ist und eine schwerkranke Person das Mittel aus eigenem Willen selbst einnimmt. Dass Patienten in Einzelfällen Anspruch auf solche Medikamente haben, entschied 2017 das Bundesverfassungsgericht.

 

Heikle Rechts­la­ge: Wann machen sich Ärzte bei Ster­be­hil­fe strafbar?

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nach der Rolle, die Mediziner im Sterbehilfeprozess spielen dürfen. Die Rechtslage ist kompliziert:

  • Ärzte können theo­re­tisch gegen die Bestim­mun­gen von 217 StGB verstoßen, wenn sie Patienten Mittel zur Selbst­tö­tung zur Verfügung stellen. Wann genau sie sich strafbar machen, ist im Ein­zel­fall aber Auslegungssache.
  • Zudem verbieten viele ärztliche Berufs­ord­nun­gen die Beihilfe zur Selbst­tö­tung – aber nicht alle.

Im Juli 2019 sprach der Bundesgerichtshof (BGH) zwei Ärzte von dem Vorwurf frei, sich im Zusammenhang mit Sterbehilfe wegen Tötung und unterlassener Hilfeleistung strafbar gemacht zu haben (AZ 5 StR 132/18 und 5 StR 393/18). Beide Ärzte hatten sterbewilligen Patientinnen tödliche Medikamente zur Verfügung gestellt und waren anwesend, als die Patientinnen diese einnahmen und schließlich bewusstlos wurden. Dabei griffen die Mediziner nicht ein, sodass die Frauen (wunschgemäß) starben.

Der BGH entschied: Weil es der erklärte Wille der erkrankten Frauen war, zu sterben, mussten die Ärzte keine Rettungsmaßnahmen ergreifen.

Da die Fälle sich 2012 und 2013 ereigneten, war § 217 StGB, der erst 2015 in Kraft trat, hier noch nicht anzuwenden. Künftige Fälle von Selbsttötungen, bei denen Mediziner assistieren, werden aber – vorbehaltlich der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Rechtmäßigkeit des Paragraphen – in der Regel danach zu beurteilen sein.

 

Wann passive Ster­be­hil­fe in Deutsch­land erlaubt istAdvocard-Privatrechtsschutz

Passive Sterbehilfe, also der Verzicht auf lebenserhaltende Maßnahmen oder Medikamente, ist in Deutschland unter bestimmten Bedingungen legal. Dazu muss eine gültige Patientenverfügung oder eine beachtenswerte Willensäußerung des Betroffenen nach § 1901a Absatz 2 BGB vorliegen. Wichtig: Patienten sollten möglichst konkret festhalten oder äußern, welche Behandlungen und lebensverlängernden Maßnahmen sie nicht wünschen  – und unter welchen Umständen.

 

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