Betrug bei Kurzarbeit: Was, wenn der Arbeitgeber schummelt? © iStock.com/skynesher

24. März 2023, 8:30 Uhr

Darf ich eigentlich? Betrug bei Kurz­ar­beit: Was, wenn der Arbeit­ge­ber schummelt?

Geraten Unternehmen in eine wirtschaftliche Schieflage, können sie ihre Angestellten vorübergehend in Kurzarbeit schicken. Die Arbeitsstunden des Personals verringern sich und somit die Personalkosten. Doch was, wenn die Angestellten trotz angemeldeter Kurzarbeit gar nicht weniger als zuvor arbeiten? Mit welchen Konsequenzen Firmen bei derartigem Betrug rechnen müssen und was du tun kannst, wenn dein Arbeitgeber sich nicht an die Regeln hält, erfährst du hier.

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Wie funk­tio­niert der Betrug mit der Kurzarbeit?

Wenn vorübergehend Aufträge wegbrechen und ein Unternehmen nicht die volle Arbeitskraft der Belegschaft benötigt, kann es bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) Kurzarbeit für seine Mitarbeiter beantragen. Wird die Leistung genehmigt, springt die Behörde ein und zahlt Kurzarbeitergeld aus. Dadurch spart das Unternehmen Lohnkosten. So soll vermieden werden, dass Firmen in einer Krise wie beispielsweise während der Corona-Pandemie massenhaft Mitarbeiter entlassen müssen.

Dafür müssen jedoch bestimmte Auflagen erfüllt sein, beispielsweise muss ein bestimmter Prozentsatz der Arbeit wegbrechen. Mehr dazu liest du in diesem Streitlotse-Ratgeber zum Thema Kurzarbeit und Kurzarbeitergeld. >>

Betrug erfolgt zum Beispiel, indem ...

  • ... Arbeit­ge­ber den Wegfall von Aufträgen nur vor­täu­schen. Tat­säch­lich haben die Mit­ar­bei­ter genauso viel zu tun wie üblich, aber sie erfassen nur einen Teil ihrer Arbeits­zeit oder müssen in kürzerer Zeit mehr schaffen.
  • … Unter­neh­men eine geringere Arbeits­aus­las­tung angeben als tat­säch­lich besteht. Beispiel: Sie melden eine Quote von 50 Prozent, tat­säch­lich leisten die Ange­stell­ten aber mehr als die Hälfte ihrer üblichen Arbeitszeit.
  • … Kurz­ar­beit für Mit­ar­bei­ter beantragt wird, die keinen Anspruch auf die Leistung haben.
  • … es bereits absehbar ist, dass der Auf­trags­weg­fall nicht nur vor­über­ge­hend ist.

In manchen Fällen erfolgt der sogenannte Subventionsbetrug unbeabsichtigt. Etwa durch Fehler bei der Antragstellung oder indem Unternehmen vergessen, die Kurzarbeitsquote bei Änderungen anzupassen. Unternehmen sind verpflichtet, die tatsächlich geleistete Arbeit an die BA zu melden, wenn sich Abweichungen von der ursprünglich angemeldeten Quote ergeben. Deshalb ist es wichtig, die geleistete Arbeitszeit genau zu dokumentieren.

Eine Stempeluhr.
© iStock.com/EyeOfPaul

Wer macht sich strafbar? Arbeit­ge­ber oder auch Arbeitnehmer?

Prinzipiell kann jeder, der von dem Subventionsbetrug weiß, dafür zur Rechenschaft gezogen werden – also nicht nur die Geschäftsführung und die Lohnbuchhaltung, sondern auch weitere Personen. In der Praxis müssen sich Arbeitnehmer jedoch meist nicht strafrechtlich verantworten.

Als Angestellter kannst du theoretisch wegen Beihilfe zum Betrug belangt werden, wenn du beispielsweise deinen Stundenzettel absichtlich falsch ausfüllst. Auch wenn du der Kurzarbeit zustimmst, obwohl du bereits weißt, dass du nicht weniger arbeiten wirst, kann das schon als Beihilfe gewertet werden.

Arbeitgeber können bei Kurzarbeitsbetrug wegen folgender Vergehen belangt werden:

  • Betrug gemäß § 263 Straf­ge­setz­buch (StGB)
  • Sub­ven­ti­ons­be­trug gemäß § 264 StGB
  • Lohn­steu­er­hin­ter­zie­hung gemäß § 370 Abga­ben­ord­nung (AO), wenn Kurz­ar­bei­ter­geld schwarz auf die Höhe des Gehalts auf­ge­stockt wird.
  • Nötigung gemäß § 240 StGB, wenn Arbeit­neh­mer gezwungen werden, beim Kurz­ar­beits­be­trug „mit­zu­spie­len”. Etwa durch den Hinweis auf eine ansonsten drohende Kündigung.

Außerdem kann eine Unternehmensgeldbuße verhängt und das Kurzarbeitergeld zurückgefordert werden. Unter Umständen werden Unternehmen, die beim Kurzarbeitergeld geschummelt haben, zusätzlich bei öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen. Verantwortlichen Vorständen oder Geschäftsführern kann zudem untersagt werden, ihre Positionen weiterhin zu bekleiden.

Der Sichtfokus ist auf vier Hände gerichtet. Eine Person klopft sich mahnend mit zwei Fingern auf die Armbanduhr. Die andere Person diskutiert abwehrend.
© iStock.com/skynesher

Wann sollten Arbeit­neh­mer hellhörig werden?

Immer dann, wenn du den Eindruck hast, dass dein Chef deine tatsächlich anfallende Arbeitszeit vertuschen will. Werden beispielsweise Angestellte mit Einführung der Kurzarbeit aufgefordert, ihre Arbeitszeit nicht mehr zu erfassen oder Zeiterfassungssysteme gleich ganz abgestellt, kann das ein Hinweis sein. Eindeutiger ist die Lage, wenn du explizit aufgefordert wirst, auf deinem Stundenzettel falsche Angaben zu machen. Oder du dich schon vor deinem tatsächlichen Feierabend in der Zeiterfassung abmelden beziehungsweise dich erst deutlich nach Arbeitsbeginn anmelden sollst.

Besonders perfide: Du sollst während der Kurzarbeit die übliche Menge an Arbeit in kürzerer Zeit als sonst schaffen. So kann man dem Arbeitgeber zumindest nicht vorwerfen, er hätte bei der Arbeitszeit geschummelt.

INFO

Kurz­ar­beit und Über­stun­den: Ein Wider­spruch in sich?

Überstunden sind während der Kurzarbeit grundsätzlich nicht erlaubt. Aber es gibt einige wenige Ausnahmefälle: Wenn beispielsweise unerwartet dringende Reparaturen nötig werden oder ein eiliger Auftrag eingeht, der nur von einzelnen Mitarbeitern erledigt werden kann, dürfen ausnahmsweise Überstunden trotz Kurzarbeit angeordnet werden.

Wenn du mehr arbeitest als ursprünglich angekündigt, muss jedoch nicht zwingend Betrug dahinterstecken. Der Arbeitgeber meldet zwar zum Monatsbeginn bei der BA an, um wie viel Prozent er die Arbeitszeit seiner Angestellten kürzen will, und plant deine Arbeitszeit entsprechend. Abgerechnet wird aber erst zum Monatsende: Dann muss das Unternehmen den tatsächlichen Arbeitsausfall angeben.

Stellt sich heraus, dass doch mehr Arbeit angefallen ist als ursprünglich angegeben wurde, muss die Ausfallquote nach unten korrigiert werden. Wenn du also zum Beispiel statt der ursprünglich angekündigten 50 Prozent deiner Arbeitszeit doch 75 Prozent ableistest, ist das rechtens – wenn der Arbeitsagentur hinterher gemeldet wird, dass der Arbeitsausfall doch nur 25 Prozent betragen hat.

Wie reagieren bei Betrugsverdacht?

Aber was tun, wenn man das Gefühl hat, dass der Arbeitgeber zu Unrecht Kurzarbeitergeld bezieht? Den Chef direkt darauf anzusprechen, erfordert Mut und könnte das Klima am Arbeitsplatz beeinträchtigen. Dennoch solltest du im Hinterkopf behalten, dass du dich theoretisch der Beihilfe schuldig machst, wenn du den Betrug beim Kurzarbeitergeld mitträgst.

Wenn du deine Vorgesetzten nicht direkt konfrontieren möchtest oder das nichts bringt, kannst du im Verdachtsfall ...

  • den Betriebs­rat über die Situation an deinem Arbeits­platz bzw. in deiner Abteilung informieren.
  • der Arbeits­agen­tur die Situation an deinem Arbeits­platz schildern, ohne direkt einen Vorwurf gegen deinen Arbeit­ge­ber zu erheben.
  • einen Anwalt hin­zu­zie­hen, der den Arbeit­ge­ber auf­for­dern kann, die Leis­tungs­er­schlei­chung zu unter­las­sen. Schaltet der Arbeit­ge­ber auf stur, wäre der nächste Schritt eine Straf­an­zei­ge. Das ist aller­dings ein dras­ti­sches Mittel, was das Arbeits­ver­hält­nis nach­hal­tig belasten dürfte.

Wenn der Arbeitgeber trotz Kurzarbeit nicht gerechtfertigte Überstunden anordnet oder Schummeleien bei der Arbeitszeit verlangt, solltest du in jedem Fall handeln. Versuche die Hintergründe zu klären. Kommen dir seine Anweisungen nicht regelkonform vor, widersprich den Forderungen. Schon um dich selbst vor einem Vorwurf der Beihilfe am Betrug zu schützen. Am besten dokumentierst du außerdem sicherheitshalber deine tatsächlich geleistete Arbeitszeit.

FAZIT
  • Unter­neh­men können sich bei unbe­rech­tig­tem Bezug von Kurz­ar­bei­ter­geld des Betrugs, des Sub­ven­ti­ons­be­trugs, der Steu­er­hin­ter­zie­hung und der Nötigung schuldig machen.
  • Arbeit­neh­mer können theo­re­tisch wegen Beihilfe zum Betrug belangt werden.
  • Warn­zei­chen sind Aussetzen der Zeit­er­fas­sung oder Auf­for­de­rung zu Überstunden.
  • Im Ver­dachts­fall können sich Arbeit­neh­mer an den Betriebs­rat, die Arbeits­agen­tur oder einen Anwalt wenden.
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