Arbeitsunfall: Definition, Versicherung und Lohnfortzahlung © iStock.com/Akacin Phonsawat

9. November 2022, 10:00 Uhr

So geht’s richtig Arbeits­un­fall: Defi­ni­ti­on, Ver­si­che­rung und Lohnfortzahlung

Ein unachtsamer Moment – und schon hast du dich an der Bürokaffeemaschine verbrüht. Zählt das jetzt als Arbeitsunfall? Viele Arbeitnehmer sind sich unsicher, wann ein Unfall als Arbeitsunfall gilt und was sie anschließend tun sollen. Wann und wie du einen Unfall meldest, ob du immer zum Arzt gehen musst und wie es mit Lohnfortzahlung und Krankengeld aussieht, liest du hier.

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Defi­ni­ti­on: Was ist ein Arbeitsunfall?

Arbeitnehmer genießen Deutschland einen gesetzlichen Unfallversicherungsschutz. Verunfallst du am Arbeitsplatz, bist du also über deinen Arbeitgeber unfallversichert. Dies gilt übrigens nicht nur für Festangestellte, sondern ebenso für Auszubildende, Mini- und Midijobber

Doch was ist ein Arbeitsunfall überhaupt? Laut § 8 Siebtes Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind Unfälle „zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen”. Ein Arbeitsunfall ist es gemäß SGB VII dann, wenn dieses Ereignis infolge einer versicherten Tätigkeit eintritt, das heißt: bei der Arbeit oder am Arbeitsplatz.

Ganz so einfach ist es jedoch nicht, denn nicht jedes Unglück, das im Firmengebäude passiert, zählt auch als Arbeitsunfall. So gilt beispielsweise der Weg von der Toilette zurück zum Arbeitsplatz als versichert, ein Unfall auf der Toilette selbst ist jedoch nicht versichert.

Ähnliches gilt für die Mittagspause in der firmeneigenen Kantine oder Cafeteria: Zwar ist der Weg dorthin und zurück zum Arbeitsplatz versichert, nicht aber der Zeitraum, in dem das Mittagessen eingenommen wird. Gleiches gilt für die Mittagspause im Freien: Die Wege sind versichert, nicht aber der Aufenthalt in einem Restaurant oder Einkaufszentrum.

Schickt dich dein Arbeitgeber auf eine Dienstreise, sind prinzipiell alle Tätigkeiten, die du im dienstlichen Zusammenhang verrichtest, gesetzlich unfallversichert. Hierzu zählen nicht nur Vorbereitungen für die Reise, die Hin- und Rückreise und berufliche Tätigkeiten vor Ort, sondern ebenfalls Geschäftsessen oder ein Unfall im Hotel. Nimmst du dir allerdings zwischendurch frei, um privat die fremde Stadt zu erkunden, erlischt dein Versicherungsschutz. Hier sind die Grenzen oft fließend, sodass häufig je nach Einzelfall entschieden werden muss.

Gut zu wissen: Selbst bei Eigenverschulden an einem Arbeitsunfall greift der gesetzliche Unfallschutz. Das heißt: Bist du durch fehlerhaftes Verhalten mit Schuld an deinem Unfall, hast du trotzdem vollen Anspruch auf die Leistungen der Unfallversicherung. Bei einem nachweisbar absichtlich herbeigeführten Unfall gilt dies allerdings nicht.

INFO

Arbeitsunfall und Wegeunfall: Wo ist der Unterschied?

Arbeitsunfall ist nicht gleich Arbeitsunfall – verunfallst du beispielsweise auf dem Weg zur Arbeit oder von der Arbeit nach Hause, spricht man von einem Wegeunfall. In der Regel gelten Wegeunfälle jedoch als Arbeitsunfälle. Wichtig ist in beiden Fällen: Der Unfall muss im direkten Zusammenhang mit der versicherungspflichtigen Tätigkeit stehen.

Was genau als Wegeunfall gilt und was du tun musst, wenn du auf dem Weg zur Arbeit verunfallt bist, liest du in unserem Ratgeber zum Thema Wegeunfall.

Arbeits­un­fall melden oder nicht: Was tun?

Auch wenn du dich vermeintlich nicht oder kaum verletzt hast, solltest du jeden Unfall, der im Zusammenhang mit deiner beruflichen Tätigkeit passiert ist, dem Arbeitgeber unverzüglich melden. So bist du abgesichert, falls du erst ein paar Tage oder Wochen nach dem Unfall plötzlich Beschwerden hast. Einen Arbeitsunfall im Nachhinein als solchen nachzuweisen, ist deutlich schwieriger.

Bist du dir zunächst unsicher, kannst du den Unfall auch nachträglich melden. Allerdings hast du nur drei Tage Zeit, deinen Arbeitgeber über den Unfall zu informieren. Dann gilt:

  • Der Unfall sollte in jedem Fall schrift­lich fest­ge­hal­ten werden.
  • Meist stellen Arbeit­ge­ber stan­dar­di­sier­te Arbeits­un­fall-Formulare bereit, auf denen die wich­tigs­ten Infor­ma­tio­nen fest­ge­hal­ten werden: Deine per­sön­li­chen Daten sowie Ort, Zeit und Art des Unfalls, gege­be­nen­falls zuge­zo­ge­ne Verletzungen.
  • Dein Arbeit­ge­ber meldet den Unfallan die Deutsche Gesetz­li­che Unfall­ver­si­che­rung (DGUV). Eine Kopie der Unfall­mel­dung sollte beim Arbeit­ge­ber bzw. beim Betriebs­rat verbleiben.
Mann mit Halskrause konsultiert einen Arzt.
© iStock.com/Lacheev

Krank­mel­dung: Muss ich nach einem Arbeits­un­fall zum Arzt?

Wenn du während deiner versicherungspflichtigen Tätigkeit verunfallst, solltest du sicherheitshalber immer einen Arzt aufsuchen. In diesen Fällen ist ein Gang zu einem Durchgangsarzt, also einem unfallgeschulten Chirurgen oder Unfallmediziner, unerlässlich:

  • Mögliche Ver­let­zun­gen führen zur Arbeits­un­fä­hig­keit über den Unfalltag hinaus.
  • Ärztliche Behand­lun­gen werden sich womöglich über einen längeren Zeitraum erstre­cken, gege­be­nen­falls kommt sogar eine Reha in Betracht.
  • Es werden vor­aus­sicht­lich Heil- oder andere Hilfs­mit­tel benötigt (Medi­ka­men­te, Gehhilfen, Hals­krau­se und ähnliches).
  • Die Wahr­schein­lich­keit, dass eine Wie­der­erkran­kung aufgrund der Unfall­fol­gen eintritt, ist erhöht.

Ein Durchgangsarzt kann über die Schwere der Verletzungen und mögliche Therapiemaßnahmen urteilen und dich gegebenenfalls krankschreiben.Unter Umständen kann dich anschließend dein Hausarzt oder deine Hausärztin weiter behandeln, wenn du nur leicht verletzt bist.

Bist du am Tag nach deinem Unfall arbeitsfähig und es geht dir gut, so ist ein Gang zum Arzt nicht immer vonnöten. Auf der sicheren Seite bist du jedoch, wenn du dich nach deinem Unfall ärztlich durchchecken lässt. Benötigst du beispielsweise Schmerzmittel, kann dir der Durchgangsarzt welche verschreiben.

Wichtig: Bist du länger als drei Tage nach deinem Arbeitsunfall arbeitsunfähig, muss dein Arbeitgeber dies an die Berufsgenossenschaft (gilt für Unternehmen in der freien Wirtschaft) oder die Unfallkasse (öffentlicher Dienst) melden. .

Lohn­fort­zah­lung und Kran­ken­geld nach Arbeits­un­fall: Wer zahlt was?

Während bei Unfällen im privaten Umfeld die Krankenkasse für etwaige Kosten aufkommt, greift beim Arbeitsunfall ein besonderer Versicherungsschutz. Hierbei kommt die Berufsgenossenschaft oder die Unfallkasse für Leistungen auf, die der Arbeitnehmer nach einem Unfall benötigt. Diese sind die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, aus der beispielsweise Kosten für Arztbehandlungen finanziert werden. Sie prüfen zunächst routinemäßig, ob es sich tatsächlich um einen Arbeitsunfall handelt. Ist dies der Fall, dann sind sie in der Leistungspflicht.

Bist du nach einem Arbeitsunfall arbeitsunfähig, erhältst du eine Lohnfortzahlung. Da bei einem Arbeitsunfall jedoch die Unfallkasse und nicht die Krankenkasse zuständig ist, handelt es sich hierbei nicht um Krankengeld, sondern um das sogenannte Verletztengeld.

Mehr zum Verletztengeld erfährst du in diesem Streitlotse-Ratgeber. >>

Solltest du dich so schwer verletzt haben, dass bei einem Wiedereinstieg in den Beruf berufsfördernde Maßnahmen oder eine Wiedereingliederung vonnöten sind, kannst du bei der Unfallkasse gegebenenfalls auch sogenanntes Übergangsgeld beantragen.

INFO

Tödlicher Arbeitsunfall: Welche Rechte haben Angehörige?

Endet ein Arbeitsunfall tödlich, ist der Arbeitgeber verpflichtet, das der zuständigen Berufsgenossenschaft zu melden. Ein tödlicher Arbeitsunfall ist wie ein Unfall ohne Todesfolge gesetzlich unfallversichert. Hier haben Hinterbliebene ein Anrecht auf weitere finanzielle Leistungen wie etwa:

  • Ster­be­geld
  • Hin­ter­blie­be­nen­ren­te
  • Erstat­tung von Überführungskosten

Außerdem kann ein tödlicher Arbeitsunfall auch strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, wenn zum Beispiel arbeitsschutzrechtliche Vorschriften seitens des Arbeitgebers nicht eingehalten wurden. Auf der sicheren Seite sind Hinterbliebene, wenn sich juristische Unterstützung holen.

Arbeits­un­fall und Spät­fol­gen: Wie mit Fol­ge­be­schwer­den umgehen?

Liegt dein Arbeitsunfall schon eine Weile zurück und du gehst wieder arbeiten, können hartnäckige Folgebeschwerden des Unfalls deinen Arbeitsalltag trotzdem erheblich erschweren. Doch was tun? Grundsätzlich kommt die Unfallversicherung nicht nur für akute Behandlungskosten auf, sondern auch für Folgekosten.

Sind Arbeitnehmer durch den Arbeitsunfall beispielsweise auf einen Rollstuhl angewiesen, unterstützt die Unfallkasse notwendige Therapiemaßnahmen und anderweitig Hilfe, wie etwa die Beschaffung einer behindertengerechten Wohnung oder die Schaffung eines behindertengerechten Arbeitsplatzes. Bei Pflegebedürftigkeit unterstützt die Unfallkasse ebenso, beispielsweise beim Antrag auf Pflegegeld oder -personal.

Schmerzensgeld steht Arbeitnehmenden nach einem Arbeitsunfall gemäß § 104 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) nur selten zu, nämlich dann, wenn der Arbeitgeber den Unfall vorsätzlich herbeigeführt hat. Der Nachweis, dass gegen bestimmte Sicherheitsbestimmungen verstoßen wurde, reicht hierbei nicht aus.

Frau mit Gipsbein telefoniert mit dem Handy.
© iStock.com/izusek

Trotz Schmerzen: Darf man nach einem Arbeits­un­fall wieder arbeiten?

Hast du nach deinem Arbeitsunfall Schmerzen, fühlst dich aber arbeitsfähig, dann kannst du natürlich wieder arbeiten gehen. Auf der sicheren Seite bist du jedoch, wenn du dir eine kleine Ruhepause gönnst, um vollständig zu genesen.

Bist du nach deinem Unfall krankgeschrieben, fühlst dich aber schon zu einem früheren Zeitpunkt wieder arbeitsfähig, kannst du ebenfalls wieder arbeiten gehen. Kommt es in dieser Zeitspanne zu einem erneuten Unfall, greift auch hier sofort wieder der gesetzliche Unfallschutz.

Auch bei längerer Krankschreibung kann dir dein Arbeitgeber nicht ohne weiteres kündigen. Bist du allerdings mehr als sechs Wochen krankgeschrieben und besteht darüber hinaus eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass du aufgrund der Unfallfolgen immer wieder ausfällst, kann dir dein Arbeitgeber möglicherweise wegen wirtschaftlicher Gründe kündigen. In einem solchen Fall bist du gut beraten, wenn du dich an einen Fachanwalt für Arbeitsrecht wendest.

Damit es nicht zur Kündigung kommen muss, unterstützt die Unfallkasse oder die Berufsgenossenschaft beispielsweise bei Umbauarbeiten am Arbeitsplatz, Mobilitätshilfen oder – wenn alle Stricke reißen – bei Aus- oder Weiterbildungsmaßnahmen und Umschulungen.

Arbeits­un­fall im Home­of­fice: Wann bin ich unfallversichert?

Gemäß § 8 SGB VII besteht der gesetzliche Unfallschutz bei Tätigkeiten, die im Haushalt der Versicherten oder einem anderen Ort ausgeführt werden, im gleichen Maße wie bei Ausübung auf der Unternehmensstätte. Das heißt: Auch im Homeoffice kannst du einen Unfall als Arbeitsunfall geltend machen.

Entscheidend ist aber auch hier, dass du während der versicherten Tätigkeit verunfallst, diese also im direkten Zusammenhang mit der Arbeit steht. Bereitest du dir während der Mittagspause in deiner Küche das Mittagessen zu und verbrennst dich am Herd, gilt dein Missgeschick nicht als Arbeitsunfall. Rutschst du hingegen auf dem Weg zu deinem Dienstlaptop aus, wird dies in der Regel als Wegeunfall, also Arbeitsunfall bewertet.

FAZIT
  • Arbeit­neh­mer sind über ihren Arbeit­ge­ber bei der Deutschen Gesetz­li­chen Unfall­ver­si­che­rung (DGUV) ver­si­chert. Diese übernimmt bei Arbeits­un­fä­hig­keit die Lohn­fort­zah­lung in Form des Verletztengeldes.
  • Ein Unfall bei der Arbeit wird als Arbeits­un­fall gewertet, wenn dieser im direkten Zusam­men­hang mit der ver­si­cher­ten Tätigkeit steht.
  • Unfälle auf der Toilette, in der Kantine oder in einem aus­wär­ti­gen Restau­rant während der Mit­tags­pau­se sind keine Arbeitsunfälle.
  • Ein Arbeits­un­fall sollte immer dem Arbeit­ge­ber gemeldet werden. Auch ist ein Arzt­be­such ratsam.
  • Benötigst du weitere Leis­tun­gen nach einem Arbeits­un­fall wie etwa Medi­ka­men­te, Gehhilfen und weiteres, unter­stützt dich die Unfall­kas­se oder Berufs­ge­nos­sen­schaft finanziell.
  • Die gesetz­li­che Unfall­ver­si­che­rung greift auch bei Über­stun­den, Dienst­rei­sen oder im Homeoffice.
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