©istock.com/FredFroese

20. April 2021, 15:50 Uhr

So geht’s richtig Nach­bar­schafts­recht: Streit um Bäume und Hecken vermeiden

Wie hoch darf meine Hecke wachsen? Welcher Grenzabstand muss bei Bäumen eingehalten werden? Und muss mein Nachbar eigentlich das Laub beseitigen, das im Herbst zu mir herüberweht? Bevor es zum Nachbarschaftsstreit kommt, hilft es meist, das Gespräch zu suchen – und die Rechtslage zu kennen.

Nicht jeder Nachbarschaftsstreit muss vor Gericht enden. Wenn doch, helfen wir. >>

Wo finden sich Rege­lun­gen zum Nachbarrecht?

Das private Nachbarrecht (umgangssprachlich auch: Nachbarschaftsrecht) wird teils bundeseinheitlich im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt, teils gelten spezielle Gesetze und Verordnungen je nach Bundesland.

Regelungen zum Grenzabstand von Pflanzen beispielsweise sind Ländersache. Wenn du genau wissen willst, ob dein Nachbar einen bestimmten Baum zu nah an der Grundstücksgrenze gepflanzt hat, bringt auch ein Anruf bei der Stadt- oder Gemeindeverwaltung Klarheit. Denn auch die Kommunen dürfen stellenweise gesonderte Vorgaben festlegen.

Der richtige Grenz­ab­stand für Bäume und Hecken

Viele Bäume und Sträucher werden im Laufe der Jahre sehr groß. Wer das beim Pflanzen außer Acht lässt, könnte irgendwann Streit mit dem Nachbarn bekommen.Alle Informationen zur Mietrechtsschutz von ADVOCARD

Welcher Abstand zwischen Pflanze und Grundstücksgrenze eingehalten werden muss, das hängt im Wesentlichen von der Art und der Größe der Pflanze ab. Die meisten Ländergesetze unterscheiden zwischen Hecken, Zier- und Nutzgehölzen. Für eine meterhoch wachsende Linde etwa gelten andere Pflanzabstände als für einen kleinen Strauch.

Wie wird der Abstand gemessen? Die meisten Messverfahren sehen vor, dass Bäume und Sträucher von der Mitte des Stammes, wo er aus dem Boden tritt, bis zur Grenzlinie gemessen werden. Doch auch hier gibt es länderspezifische Unterschiede.

Außerdem solltest du immer abwägen, was dir wichtiger ist: der eine Zentimeter, um den der Nachbarbaum den Grenzabstand unterschreitet – oder das friedliche Verhältnis am Gartenzaun? Am besten besprichst du größere Bepflanzungspläne immer vorab mit deinem Nachbarn. Rücksichtnahme ist hier das A und O.

Grenzbaum

Ein Sonderfall ist der sogenannte Grenzbaum: ein Baum oder Strauch, der genau auf der Grenze zwischen zwei Grundstücken wächst. Dazu regelt § 923 BGB Näheres.
Der Baum und seine Früchte gehören beiden Nachbarn. Möchte einer von ihnen den Grenzbaum fällen, muss er das vorher mit dem anderen absprechen. Die Nachbarn teilen sich die Kosten für die Fällung und erhalten je die Hälfte des Holzes – es sei denn, der eine verzichtet darauf. Dann erhält der andere das ganze Holz, muss aber auch die Kosten allein tragen.

Wie hoch darf mein Nachbar seine Bäume und Hecken wachsen lassen?

Zu hohe Hecken oder Bäume können dem Nachbarn die Sonne nehmen. Aber wann sind sie “zu hoch”? Auch hier ist wieder der Grenzabstand maßgeblich, den die Bundesländer vorgeben.

  • Je näher eine Hecke an der Grund­stücks­gren­ze wächst, desto geringer ist die erlaubte Hecken­hö­he. Der gefor­der­te Mindest-Grenz­ab­stand einer bis zu zwei Meter hohen Hecke liegt zum Beispiel in vielen Ländern bei 50 bis 75 Zen­ti­me­tern. Kommunen können die Werte aber auch indi­vi­du­ell festlegen.
  • Bei Bäumen richtet sich die erlaubte Höhe meist ebenfalls nach dem Grenz­ab­stand. In Nie­der­sach­sen bei­spiels­wei­se müssen Bäume, die zwischen fünf und 15 Metern hoch sind, mit min­des­tens drei Metern Abstand zur Grund­stücks­gren­ze stehen.

Hamburg, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern sind die einzigen Bundesländer, die keinen Grenzabstand für Pflanzen in Privatgärten festlegen.

Wachsen die Bäume auf dem Nachbargrundstück in den Himmel, darfst du grundsätzlich darauf bestehen, dass der Nachbar sie entsprechend der geltenden Regeln zurückschneidet. Tust du das aber fünf Jahre lang nicht, ist dein Anspruch verjährt. Diese Verjährungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Pflanze die zulässige Höhe überschritten hat.

Streit­punkt: Ver­schat­tung durch den Nachbarbaum

Jeder, der einen Garten besitzt, möchte im Sommer die Sonne dort genießen. Doch was, wenn der Baum des Nachbarn Schatten über die Grundstücksgrenze hinaus wirft? Muss der Nachbar den Baum dann fällen?

Wenn der gebotene Grenzabstand entsprechend der Höhe eingehalten wird: grundsätzlich nein. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) 2015 geklärt. Im konkreten Fall hatten Anwohner geklagt, da Bäume von einer städtischen Grünanlage ihr Grundstück verdunkelten. Der geforderte Grenzabstand war nicht unterschritten. Der BGH begründete seine Entscheidung so: Es handele sich bei dem Schattenwurf um eine sogenannte negative Emission, bei der Licht entzogen werde. Dagegen haben Nachbarn in aller Regel kein Abwehrrecht.

Nachbarn, die sich durch Verschattung gestört fühlen, können also normalerweise nur wenig unternehmen – es sei denn, der Nachbar hat den geforderten Grenzabstand nicht eingehalten oder die Bäume sind nicht mehr standsicher, sodass sie eine Gefahr darstellen.

Frau schneidet im Garten Blätter vom Baum

©istock.com/amriphoto

Streit­punkt: Über­hän­gen­de Äste

Überhängende Äste können das friedliche Miteinander am Gartenzaun erheblich beeinträchtigen. Auch in diesem Fall ist es der einfachste Weg, zunächst mit dem Nachbarn zu sprechen. Sieht dieser es jedoch nicht ein, in die Natur einzugreifen und die Äste seines Baumes zurückzuschneiden, droht ein Nachbarschaftsstreit.

Was kannst du dann tun? Beeinträchtigen die Äste dein Eigentum, dann hast du gemäß § 1004 BGB einen Beseitigungsanspruch. Du kannst dann also vom Nachbarn verlangen, die überhängenden Äste und Zweige zu entfernen. Das kann zum Beispiel gelten für

  • Efeu, der eine Gefahr für das Mauerwerk deines Hauses darstellt (Urteil des Amts­ge­richts München, AZ 241 C 10407/05).
  • über­hän­gen­de Zweige, die dich daran hindern, einen Bereich deines Grund­stücks selbst zu nutzen (Urteil des Ober­lan­des­ge­richts Nürnberg, AZ 12 U 2174/00)
  • oder Äste von Nadel­bäu­men, die ihre Nadeln in deine Dachrinne abwerfen und diese ver­stop­fen (Urteil des Land­ge­richts Dortmund, AZ 3 O 140/10).

Der Beseitigungsanspruch verjährt aber, wenn du dich innerhalb von drei Jahren, nachdem du die Beeinträchtigung festgestellt hast, nicht beim Nachbarn meldest und den Rückschnitt verlangst. Das hat der BGH 2019 klargestellt (AZ V ZR 136/18).

Darf ich überhängende Äste selbst abschneiden?

Wer bei seinem Nachbarn auf taube Ohren stößt, würde oft am liebsten selbst zur Säge oder zur Astschere greifen und den Überhang einfach kürzen. Und tatsächlich ist dies nach § 910 BGB unter bestimmten Umständen erlaubt. Das sogenannte Kapprecht gestattet es, überhängende Äste abzutrennen, wenn der Nachbar innerhalb einer angemessenen Frist, die du ihm gesetzt hast, nicht reagiert.

Aber Vorsicht: Du musst im Streitfall darlegen können, dass dich der Überhang beeinträchtigt hat (siehe oben). Zudem darfst du nur den Teil der Äste abschneiden, der sich auf oder über deinem eigenen Grundstück befindet.

Wem gehören die Früchte?

Eine weitere Frage stellt sich, wenn der Überhang vom Nachbarbaum Früchte trägt, die irgendwann der Schwerkraft folgen und auf dein Grundstück fallen. Wem gehören die Äpfel, Birnen oder Pflaumen, die ja eigentlich auf dem Baum des Nachbarn wachsen?

Hier regelt § 911 BGB (Überfallsrecht) eindeutig: Die Früchte gehören demjenigen, auf dessen Grundstück sie landen – sogar unabhängig davon, ob dies durch überhängende Äste geschieht oder ob etwa ein Sturm die Früchte vom Baum löst und herüberweht.

Sturmschäden im Garten

© Fotolia/Picture-Factory

Streit­punkt: Ein Baum stürzt um – wer haftet?

Wer haftet, wenn Äste oder gar Bäume auf das Nachbargrundstück fallen und Schäden anrichten? Das ist vom konkreten Fall abhängig.

Schäden, die auf ein Naturereignis wie Sturm oder Gewitter zurückgehen, können dem Eigentümer des Baumes nur dann angekreidet werden, wenn dieser durch Versäumnisse dazu beigetragen hat. Dies bedeutet: Unbehandelte, ersichtlich kranke oder vorgeschädigte Bäume, die umstürzen und Schäden anrichten, gehen auf das Konto des Eigentümers. Alles andere ist höhere Gewalt und damit Sache der Versicherung.

Grundstücksbesitzer sind jedoch grundsätzlich dafür verantwortlich, dass keine Gefahr von ihrem Grundstück ausgeht – Gefahren für die Allgemeinheit, oder eben Nachbarn, müssen minimiert werden.

Streit­punkt: Laub vom Nach­bar­baum fällt in meinen Garten

Über Früchte, die vom Nachbarbaum in deinen Garten fallen, kannst du dich vielleicht noch freuen. Bei Laub hört aber der Spaß meistens auf. Was, wenn ein großer Baum des Nachbarn deinen Garten in jedem Herbst mit Massen von welken Blättern überschüttet?

Leider lautet die Regel: Auch wenn das Laub vom Nachbarn stammt – für die Beseitigung ist jeder auf seinem Grundstück selbst verantwortlich. Wenn es sich wirklich um unverhältnismäßig viel Laub handelt, das von fremden Bäumen zu dir herüberweht, steht dir womöglich eine sogenannte Laubrente zu. Was das ist und wie du sie bekommen kannst, erfährst du in diesem Streitlotse-Ratgeber.

Nicht immer aber klappt es aber mit einer Entschädigung. Auch die Forderung, Bäume wegen ihres Laubabwurfs fällen zu lassen, ist in der Regel nur dann gerichtlich durchzusetzen, wenn diese krank und umsturzgefährdet sind oder entgegen der Vorschriften angepflanzt wurden. Eine entsprechende Klage wies der BGH 2019 ab, da der Baumbesitzer gegen keine Vorgabe verstoßen hatte.

Artikel teilen

Bitte lesen Sie zu dem Inhalt auch unsere Rechtshinweise.

So einfach ist Rechtsschutz

Ein Rechtsstreit, ganz gleich in welchem Bereich, kommt oft unverhofft. Darum hat ADVOCARD mit dem 360°-Rechtsschutz einen besonders leistungsstarken Rundumschutz geschaffen.

Mehr erfahren

Mediation

Vertragen statt klagen: mit Mediation rechtliche Konflikte ohne Gerichts­ver­fahren lösen.

Strei­tatlas

Streit in Berlin? Zoff in München? Der interaktive Atlas zeigt, wo die deutschen Streithähne leben.

ADVOCARD-Service

Kompetente Beratung und professionelle Unterstützung rund um die Uhr.