Kleinkind isst Babybrei JackF, Fotolia

27. Mai 2015, 12:55 Uhr

Urteil des Monats Zuläs­sig­keit von Wer­be­slo­gans – was ist Lüge und was ist echt?

Wir können unsere Abwehrkräfte mit einem Joghurtdrink stärken, eine Extra-Portion Milch in einem Schokoriegel finden und mit nur einem Keks ein gesamtes Frühstück ersetzen. Die Werbewelt steckt voller Versprechungen, die uns das Leben einfacher und köstlicher machen. Im Streitfall sind Verbraucher zwar mit einem Rechtsschutz abgesichert, doch mit welchen Attributen dürfen Unternehmen ihre Produkte eigentlich tatsächlich anpreisen? Wie viel Wahrheit muss in den Werbeslogans stecken?

Ohne Zusatzstoffe und Zaubermittel sind wir im Streitfall gemeinsam stark. >>

Werbeslogans – Lügen im Kühlregal?

Er schmeckt nach Erdbeere, Banane oder Himbeere. Ein süßer kleiner Dino ziert die Verpackung und man kann ihn sogar ausquetschen: den Monsterbacke Fruchtquark von Ehrmann. Und er ist „So wichtig wie das tägliche Glas Milch!“ Das steht zumindest auf der Verpackung ...

Doch kann ein gesüßter und fettiger Inhalt tatsächlich so gesund sein wie ein Glas frische Milch? In den Augen der Wettbewerbszentrale definitiv nicht und so reichte sie Klage wegen Irreführung ein. Die Aussage auf dem Produkt lasse die Verbraucher denken, dass der Inhalt der Monsterbacke ebenso gesund sei wie Milch. Die Tatsache, dass der Quark viel mehr Zucker enthält als Milch würde dem Konsumenten jedoch verschwiegen.

Die Wettbewerbszentrale sieht darin einen Verstoß gegen die Health-Claim-Verordnung der EU, in der geregelt wird, welche nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben auf Produkten gemacht werden dürfen. „Wenn keine zusätzlichen Angaben neben den Werbeslogans stehen, nimmt der Verbraucher sie als Tatsachen wahr. Diese sind aber irreführend und wissenschaftlich nicht belegt“, erläutert Anwalt Ulrich Kelch, von der Kanzlei Linten Rechtsanwälte. Der Konsument könne nun denken, der Fruchtquark sei ein gesunder Snack.

Zusatzinfo zu Werbeslogans unabdingbar – auch für die Monsterbacke

Trotz dieser Anschuldigungen hat der Bundesgerichtshof (BHG) nun sein Urteil gefällt: Der Kinderquark führt Verbraucher nicht in die Irre denn jeder weiß, dass es sich bei Früchtequark offensichtlich um ein Produkt handelt, das mehr Zucker enthält als Milch. Somit unterscheidet sich der Monsterbacke Früchtequark deutlich von Milch, so das Urteil.

Den Vorwurf, der Slogan suggeriere, dass der Quark ebenso gesund wie Milch sei, entkräftet der BGH ebenfalls: Der vergleichende Werbeslogan „So wichtig wie das tägliche Glas Milch!“ bezieht sich nicht auf den Zuckeranteil oder die gesundheitsfördernde Wirkung. Der Spruch stützt sich lediglich auf die weit verbreitete Annahme, dass Kinder und Jugendliche wegen der gesundheitsfördernden Wirkung täglich ein Glas Milch trinken sollten. Der Slogan wird vom BGH also nicht als nährwertbezogene Angabe aufgefasst, sondern als zulässige gesundheitsbezogene Angabe.

Ehrmann darf seinen Claim also weiterhin benutzen, jedoch nur, wenn auf der Verpackung auch weitere gesundheitsbezogene Hinweise stehen, die den Werbeslogan ergänzen. Zukünftig muss auf dem Kinderquark also eindeutig zu lesen sein, dass neben dem Verzehr des Quarks eine abwechslungsreiche und ausgewogene Ernährung wichtig ist. „Vielen Verbrauchern fehlen Hinweise zum Inhalt der Produkte. Gerade in Zeiten steigender Adipositas-Fälle und Diabetes ist das Urteil des Bundesgerichtshofs bedeutend und unterstreicht die Wichtigkeit der Health-Claim-Verordnung in Bezug auf Werbeslogans“, sagt Anwalt Ulrich Kelch.

Schluss mit irreführenden Werbeslogangs?

Durch die Health-Claim-Verordnung sind neben dem Monsterbacke-Slogan, den Ehrmann mittlerweile nicht mehr nutzt, zahlreiche unzulässige Werbeslogans entdeckt und verbannt worden. Entweder wurden komplett unzulässige gesundheitsbezogene Werbeversprechen gemacht (Art. 2, Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006) oder es fehlten bei unzähligen Slogans die wichtigen Zusatzinformationen, wie zum Beispiel bezüglich ausgewogener Ernährung (Art. 10 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006). Können wir also unsere Abwehrkräfte womöglich gar nicht mit einem Joghurtdrink stärken? Leider nicht. Nun steht auf der Verpackung „enthält Vitamin B6 und D. Diese tragen zu einer normalen Funktion des Immunsystems bei.“ Leere Versprechungen: nein. Inhaltsstoffe und tatsächliche Wirkung: ja.

Doch ein Beigeschmack bleibt, denn es darf mit einem Slogan geworben werden, solange die beworbene Zutat auch nur in einer geringen Menge vorhanden ist. Daher ist der Claim auf dem Fruchtquark auch nicht irreführend: der Quark enthält tatsächlich die gleiche Menge Kalzium wie ein Glas Milch. Aber eben auch die dreifache Menge an Zucker ...

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