Richter am Amtsgericht: er schreibt mit einem blauen Kugelschreiber, sein Richterhammer liegt auf dem Schreibtisch Ojoimages4, Fotolia

24. Juni 2015, 14:24 Uhr

Reportage Diebstahl, Blitzer und Fami­li­en­streit – Ein Tag im Amtsgericht

Das Amtsgerichtsgebäude hat etwas Einschüchterndes, Gewaltiges und Mächtiges. Im Inneren schlichten Richter tagtäglich Streitereien, verhängen Strafen und rollen Verfahren neu auf. „Wir verhandeln im Amtsgericht alle Fälle aus dem Zivil- und Strafrecht, da wir die erste Instanz innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit darstellen“, erklärt Gerichtssprecherin Ruth Hütteroth.

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Straf­recht – Vom Staat zur Rechen­schaft gezogen

Morgens einen Diebstahl verhandeln, mittags einen Täter wegen Körperverletzung verurteilen und abends einen Steuerbetrug aufdecken. Das ist der Alltag der Strafrichter am Amtsgericht Hamburg-Mitte. Das Strafrecht behandelt Vergehen, die die Rechtsordnung eines Staates verletzen. Wenn also der Schutz des Lebens, der körperlichen Unversehrtheit, des Eigentums, der Würde und der Ehre oder auch des Vermögens durch eine Straftat verletzt wird, dann wird ein strafrechtliches Verfahren eingeleitet. „Straftaten wie Diebstähle, Körperverletzungen, Beleidigungen, Betrug und auch Steuerhinterziehungen werden hier bei uns im Amtsgericht verhandelt. Zwar nicht in dem Ausmaß wie beim Hoeneß-Fall, aber durchaus auch hohe Summen“, berichtet Hütteroth weiter.

Wenn die Straferwartung nicht höher ist als vier Jahre Freiheitsstrafe, dann landen die Fälle beim Amtsgericht. Einer der Strafrichter ist Amtsrichter Björn Jönsson. Und der weiß genau, was am häufigsten verhandelt wird: „Diebstahl ist der Klassiker hier bei uns.“ Da das Amtsgericht Hamburg-Mitte im Einzugsgebiet des Kiezes liegt und die Reeperbahn am Wochenende ein heißes Pflaster ist, sind auch oft Verhandlungen zu Körperverletzungen an der Tagesordnung. So gingen im Jahr 2014 rund 4.400 Strafverfahren ein und die 15 Strafrichter, die im Amtsgericht Hamburg-Mitte tätig sind, hatten einiges zu tun.

Zivil­recht – Der Dau­er­bren­ner im Amtsgericht

Ebenso wie strafrechtliche Verfahren, gibt es Verfahren über Zivilsachen im Amtsgericht. Während das Strafrecht das öffentliche Recht abdeckt, geht es beim Zivilrecht um die Rechtsbeziehung zwischen Privatpersonen. Das betrifft beispielsweise Mietsachen, Vormundschaften, Nachlassangelegenheiten, familienrechtliche Streitigkeiten, Vollstreckungen bei Insolvenzverfahren oder auch bürgerliche Rechtsstreitigkeiten mit einem Streitwert bis zu 5.000 Euro. Insbesondere bei diesen Rechtsstreits handelt es sich oft um die allgemein bekannten Nachbarschaftsstreitigkeiten, bei denen das Blatt vom Baum von Nachbar A auf das Blumenbeet von Nachbar B geweht ist. „Natürlich gibt es auch solche Fälle. Aber hier kann dann relativ oft mit einfachen Mitteln geschlichtet werden“, berichtet Gerichtssprecherin Ruth Hütteroth noch.

Im Amtsgericht Hamburg-Mitte gibt es außerdem rund 25 Stellen für Zivilrichter. Darüber hinaus zehn Familienrichter, drei Insolvenzrichter und mehrere Betreuungsrichter. Die hohe Anzahl der Zivilrichter lässt bereits vermuten, dass weitaus mehr Fälle das Privatrecht betreffen, als das öffentliche Strafrecht. Im vergangenen Jahr wurden rund dreimal so viele Zivilverfahren wie Strafverfahren am Amtsgericht Hamburg-Mitte verhandelt. Das waren im vergangenen Jahr insgesamt 14.000 Fälle. Dabei handelt es sich meist um Streitigkeiten, die das Familienrecht betreffen – wie Ehe, Lebenspartnerschaften, Familie und Verwandtschaften.

Die Presse und das Amtsgericht

Auf den Tischen der Richter landen durchaus auch turbulente Fälle. Im Amtsgericht in Hamburg-Mitte sind neben Diebstahl, Körperverletzung und Verkehrsunfallflucht, auch gelegentlich spektakuläre Fälle dabei. Bei einem wurden Amtsrichter Björn Jönsson von der Presse die Worte im Munde umgedreht: Ein Mann wurde des Diebstahls angeklagt, weil er Geld aus einem Geldautomaten geklaut hat. Der Angeklagte sollte den Automaten im Rahmen eines Jobs bewachen. Er türmte allerdings mit dem Geld, nahm sich ein Taxi von Hamburg nach Wien und verspielte die gesamte Beute von 100.000 Euro in einem Kasino. Da er sich allerdings danach freiwillig stellte, hat ihn Amtsrichter Jönsson zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Einer großen deutschen Boulevard-Zeitung war das anscheinend zu unspektakulär und die textete prompt die reißerische Schlagzeile: „Richter lässt Räuber laufen!“ Fakt ist aber, dass es sich hier weder um einen Räuber, sondern vielmehr um einen Dieb handelte und freigesprochen hat Jönsson ihn auch nicht.

Die Arbeit im Amtsgericht Hamburg-Mitte fordert von den rund 160 Mitarbeitern jeden Tag Ausdauer, Verständnis, Durchsetzungsvermögen und vor allem Objektivität. Ganz nach dem dritten Artikel des deutschen Grundgesetzes: Vor dem Gesetz sind alle Menschen gleich.

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