Vertrauensarbeitszeit: Deine Rechte und Pflichten als Arbeitnehmer © istock.com/fizkes

22. September 2022, 11:08 Uhr

Darf ich eigentlich? Ver­trau­ens­ar­beits­zeit: Deine Rechte und Pflichten als Arbeitnehmer

Du hast mit deinem Arbeitgeber Vertrauensarbeitszeit vereinbart und kannst dir die Arbeitszeit nun ohne strikte Zeiterfassung frei einteilen – oder? Ganz so einfach ist das nicht. Welche Pflichten du als Arbeitnehmer trotzdem hast, wie Überstunden und Pausen gehandhabt werden und warum es die Vertrauensarbeitszeit in ihrer bisherigen Form wohl nicht mehr lange geben wird, erfährst du hier.

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Defi­ni­ti­on: Was ist Vertrauensarbeitszeit?

Grundsätzlich bedeutet Vertrauensarbeitszeit, dass sich Beschäftigte ihre Arbeitszeit frei einteilen können. Entscheidend ist die erbrachte Arbeitsleistung, also die zufriedenstellende Erledigung der zugeteilten Aufgaben.

Dies hat den Vorteil, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in besonders arbeitsintensiven Phasen mehr Stunden am Tag arbeiten können und dafür an anderen Tagen weniger. Im Unterschied zur Gleitzeit gibt es keine Kernarbeitszeiten und Arbeitnehmer müssen sich nicht mit Vorgesetzten oder Kollegen absprechen, wenn sie an einem Tag mal später mit der Arbeit anfangen oder früher aufhören möchten, sondern können dies frei entscheiden.

Wenn Vertrauensarbeitszeit gelten soll, wird dies – zusammen mit der vereinbarten Arbeitszeit pro Woche oder pro Monat – üblicherweise im Arbeitsvertrag festgeschrieben. Auch eine entsprechende Betriebsvereinbarung kann gelten. Bei Vertrauensarbeitszeit wird in der Regel von einer Fünftagewoche (Montag bis Freitag) ausgegangen.

Darüber hinaus gibt es keine explizite gesetzliche Regelung zur Vertrauensarbeitszeit, allerdings müssen trotzdem bestimmte Grundregeln eingehalten werden.

Zeit­er­fas­sung: Wird die Ver­trau­ens­ar­beits­zeit bald abgeschafft?

Bei Vertrauensarbeitszeit ist nach bisheriger Regelung prinzipiell keine Zeiterfassung nötig. Arbeitnehmer notieren gegebenenfalls ihre Arbeitszeiten handschriftlich oder teilen diese ihrem Chef mündlich mit – vorgeschrieben ist dies jedoch bislang nicht. Laut § 16 ArbZG sind Arbeitgeber bis dato lediglich dazu verpflichtet, Mehrarbeit zu erfassen. Sie müssen also die Zeit aufzeichnen, die über die gesetzliche Höchstarbeitszeit von regelmäßig acht Stunden am Tag hinausgeht.

Das wird sich voraussichtlich bald ändern. Denn sowohl auf EU-Ebene als auch für Deutschland gab es mittlerweile höchstrichterliche Entscheidungen, die besagen: Die komplette Arbeitszeit muss erfasst werden. Schon 2019 entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) entsprechend (AZ C-55/18 – CCOO). Im September 2022 schloss sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem konkreten Fall aus Deutschland diesem Urteil an (AZ 1 ABR 22/21).  

Der deutsche Gesetzgeber ist bereits seit dem EuGH-Urteil gefordert, die Vorgaben der EU-Arbeitszeitrichtlinie umzusetzen, wonach jegliche von Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit zu erfassen ist. Sobald es ein entsprechendes Gesetz gibt, werden auch die Arbeitszeiten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Vertrauensarbeitszeit davon betroffen sein (Stand: September 2022).

Bis dahin gelten grundsätzlich weiter die alten Regelungen. Kommt es aber zum Streit mit dem Arbeitgeber in Bezug auf die Zeiterfassung bei Vertrauensarbeitszeit, können sich Arbeitnehmer auf die Rechtsprechung berufen und sollten sich juristischen Beistand suchen, um ihre Ansprüche durchzusetzen.  

Mitarbeiter steht an einem Zeiterfassungstool an seiner Arbeitsstelle.
© istock.com/halbergman

Wie werden Über­stun­den bei Ver­trau­ens­ar­beits­zeit gehandhabt?

Trotz freier Zeiteinteilung können Überstunden anfallen, wenn Projekte besonders dringend fertiggestellt oder unvorhergesehene Zusatzaufträge bearbeitet werden müssen. Da Vertrauensarbeitszeit in der Regel auf Flexibilität der Arbeitnehmer und dem Vertrauensverhältnis zwischen Chef und Mitarbeiter aufbaut, musst du als Arbeitnehmer in der Regel selbst dafür sorgen, dass deine Überstunden genau protokolliert werden. Mit den Urteilen des EuGH sowie des BAG und den geplanten Gesetzesänderungen wird sich jedoch auch hier einiges ändern.

Ob nun aber gesetzlich vorgeschrieben oder eigenverantwortlich: Eine Arbeitszeiterfassung, beispielsweise durch ein Arbeitszeitkonto, kann bei Vertrauensarbeitszeit für beide Seiten von Vorteil sein: Die geleistete Zeit ist dann „schwarz auf weiß“ belegt und es bleibt kein Raum für Mutmaßungen, ob vielleicht eine Seite benachteiligt wurde. Schon 2013 entschied das BAG, dass ein Arbeitszeitkonto auch bei Vertrauensarbeitszeit möglich sei (AZ 5 AZR 767/13).

Sprich am besten mit deinem Chef, welche Möglichkeiten zur Erfassung deiner Arbeitszeit am sinnvollsten ist. So können auch deine Überstunden festgehalten und ein späterer Freizeitausgleich besser geplant werden.

Wie viele Stunden darf ich bei Ver­trau­ens­ar­beits­zeit überhaupt arbeiten?

Trotz freier Zeiteinteilung heißt Vertrauensarbeitszeit nicht, dass du Tag und Nacht durcharbeiten kannst oder musst, um dein Ergebnis pünktlich abzuliefern. Denn da schiebt das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) einen Riegel vor – zum Schutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.

Laut § 3 ArbZG dürfen Arbeitnehmer grundsätzlich pro Werktag maximal acht Stunden arbeiten. Ausnahmen mit bis zu zehn Stunden Arbeitszeit am Tag sind unter bestimmten Umständen möglich. Im Schnitt dürfen Arbeitnehmer von montags bis samstags also maximal 48 Stunden arbeiten.

Hast du mit deinem Arbeitgeber Vertrauensarbeitszeit abgemacht, gibt es eine Besonderheit: Samstage sind arbeitsrechtlich zwar Werktage – bei Vertrauensarbeitszeit jedoch sind sie als Ausgleichstag für Mehrarbeit vorgesehen, die zwischen Montag und Freitag erbracht wurde. Bleibt der Samstag für dich frei, hast du die Möglichkeit, die gesetzlich zulässigen acht Stunden Mehrarbeit pro Woche bereits von Montag bis Freitag zu erbringen – also vorübergehend in Spitzenzeiten bis zu zehn Stunden an jedem der fünf Tage zu arbeiten. Mehr als zehn Stunden täglich sind aber auch bei diesem Arbeitszeitmodell nicht zulässig.

Wie viel Pausen sind bei Ver­trau­ens­ar­beits­zeit erlaubt?

Als Arbeitnehmer bist du bei einer täglichen Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden dazu verpflichtet, eine Pause einzulegen (§ 4 ArbZG). Dies gilt natürlich auch bei Vertrauensarbeitszeit. Hier hast du ähnlich wie bei der Arbeitszeiteinteilung jedoch die Möglichkeit, deine Pausen individueller zu gestalten – also beispielsweise häufigere Pausen einzulegen oder länger Pause zu machen, als gesetzlich vorgeschrieben ist.

Wie bei anderen Arbeitnehmern gilt auch bei der Vertrauensarbeitszeit: Zwischen der Arbeit an zwei Werktagen muss eine Ruhephase von mindestens elf Stunden liegen (§ 5 ArbZG).

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