Schulstrafen: Was dürfen Lehrer und was nicht? © iStock.com/ajr_images

19. Juni 2023, 16:32 Uhr

Fake oder Fakt? Schul­stra­fen: Was dürfen Lehrer und was nicht?

Schülerinnen und Schüler müssen sich an die Regeln halten, die in ihrer Bildungseinrichtung gelten. Aber was dürfen Lehrer unternehmen, wenn Kinder immer wieder den Unterricht stören oder die Schulordnung missachten – und welche Sanktionen gehen zu weit? Hier liest du, welche disziplinarischen Maßnahmen Lehrer ergreifen dürfen und welche nicht.

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Alle Sanktionen, die Lehrer verhängen, müssen grundsätzlich verhältnismäßig sein und die Rechte der Schüler achten. Einen gesetzlichen Rahmen dafür bilden vor allem die Schulgesetze der einzelnen Bundesländer. Diese unterscheiden meist zwischen Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen.

Lehrkräfte sind den Schülern gegenüber in schulischen Dingen weisungsbefugt und dürfen erwarten, dass ihren Anweisungen Folge geleistet wird. Ist dies nicht der Fall, können sie erzieherische Maßnahmen ergreifen. Dazu zählen Gespräche, Ermahnungen und das vorübergehende Einbehalten von Gegenständen. Lehrkräfte dürfen ihren Schülern also zum Beispiel das Handy abnehmen, wenn es trotz Verbots im Unterricht genutzt wird. Sie müssen es aber nach dem Unterricht zurückgeben. Hier liest du mehr zum Thema Handyverbot an Schulen.

Die Frage, ob ein Lehrer einen Schüler aus dem Klassenraum schicken und ihn dort allein lassen darf, ist nicht pauschal zu beantworten. Grundsätzlich können Schüler, die den Unterricht stören, für die laufende Schulstunde aus dem Klassenraum verwiesen werden. In Bezug auf die Aufsichtspflicht sind jedoch unter anderem das Alter des Schülers und teils auch landesschulrechtliche Besonderheiten zu beachten.

Der viel zitierte Eintrag ins Klassenbuch bei disziplinarischen Maßnahmen gegen einzelne Schüler ist nicht erlaubt, wenn das Buch offen im Klassenraum liegt und andere Schüler Zugriff darauf haben. Das verstößt gegen den Datenschutz. In der Schülerakte jedoch sind solche Einträge zulässig.

Über Ordnungsmaßnahmen entscheiden nicht einzelne Lehrkräfte, sondern die zuständigen Gremien der Schule. Diese strengeren Maßnahmen dürfen erst eingesetzt werden, wenn Schüler ihre Pflichten grob verletzen oder trotz erzieherischer Maßnahmen weiter gegen Regeln verstoßen: zum Beispiel, wenn sie immer wieder die Schule schwänzen. Die Schulgesetze legen fest, welche Ordnungsmaßnahmen – Verweise, Versetzung in eine andere Klasse, Ausschluss vom Unterricht oder in schweren Fällen der Schulverweis – zulässig sind.

Kör­per­li­che und seelische Gewalt sind tabu

Auch die Bestimmungen anderer Rechtsgebiete gelten in Schulen. So können beispielsweise bei Beleidigungen oder Körperverletzungen auch die Bestimmungen des Strafgesetzbuchs (StGB) herangezogen werden.

Körperliche Strafen sind an deutschen Schulen seit Jahrzehnten verboten. Werden Lehrerinnen und Lehrer aber von Schülern tätlich angegriffen, dürfen sie sich zur Wehr setzen (Notwehr gemäß § 32 StGB). Ob dies im Einzelfall verhältnismäßig war, musste schon des Öfteren im Nachhinein ein Gericht klären.

Seelische Gewalt wie Beleidigungen oder das Anschreien von Schülern ist gemäß den Persönlichkeitsrechten der Schüler ebenso tabu. Oft ist die Sachlage im Nachhinein aber nicht mehr eindeutig nachzuvollziehen: Hat die Lehrerin die Stimme erhoben, weil sie schon mehrfach ermahnt hat und von den Schülern ignoriert wurde, oder hat sie willkürlich gehandelt, um Schüler einzuschüchtern? Das gilt es ebenfalls oft nachträglich aufzuarbeiten.

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Ist Nach­sit­zen als Strafe erlaubt?

Das Nachsitzen ist nicht als Strafe erlaubt, sondern lediglich als erzieherische Maßnahme in angemessenem Umfang. Wenn eine Schülerin etwa aus Nachlässigkeit zu spät zum Unterricht erschienen ist oder in der Schulstunde durch heimliche Gespräche oder das Smartphone stark abgelenkt war, kann die Lehrkraft anordnen, dass der Unterrichtsstoff in einer Extrastunde aufgeholt wird.

Das Nachsitzen muss stets inhaltlich begründet sein und darf nicht willkürlich angeordnet werden. Ein Lehrer darf beispielsweise nicht spontan entscheiden, dass Schüler nachsitzen, weil sie sich in der Pause geprügelt haben.

Wie das Nachsitzen konkret auszugestalten ist und wie lange die Maßnahme höchstens dauern darf, regeln die Bundesländer individuell. In jedem Fall müssen vorher die Erziehungsberechtigten benachrichtigt werden – mindestens telefonisch, in manchen Bundesländern sogar schriftlich. Bei minderjährigen Schülerinnen und Schülern muss während des Nachsitzens eine Aufsichtsperson dabei sein.   

Je nach Landesschulgesetz kann das Nachsitzen auch wegen fehlender Hausaufgaben zulässig sein – zum Beispiel dann, wenn Schüler sehr häufig ihre Hausaufgaben nicht erledigen und so im Unterricht nicht mehr mitkommen. Einen solchen Schritt sollte die Schule aber ebenfalls gut begründen und die Erziehungsberechtigten vorher informieren.

Können Eltern gegen Schul­stra­fen vorgehen?

Eltern, die eine gegen ihr Kind verhängte Strafe als unverhältnismäßig betrachten, können dagegen Widerspruch beim zuständigen Verwaltungsgericht einlegen. Ordnungsmaßnahmen, die meist mit einem gewissen Vorlauf verhängt werden, werden durch einen solchen Widerspruch zunächst einmal aufgeschoben.

Auch Erziehungsmaßnahmen wie dem Nachsitzen kann juristisch widersprochen werden, wenn die Maßnahme willkürlich und unangemessen erscheint. Ist das Nachsitzen allerdings durch klar belegbare Versäumnisse des Schülers oder der Schülerin begründet, sollten Eltern sich überlegen, ob sie den Rechtsweg beschreiten wollen. Zunächst sollten sie immer das Gespräch mit der Schule suchen und gegebenenfalls eine Mediation in Erwägung ziehen.   

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