Arbeitszeitverkürzung: Anspruch, Möglichkeiten, Auswirkungen ©New Africa/Fotolia

8. August 2019, 12:52 Uhr

So geht's richtig Arbeits­zeit­ver­kür­zung: Anspruch, Mög­lich­kei­ten, Auswirkungen

Arbeitszeitverkürzung war lange Zeit aus der Mode gekommen: In vielen Branchen war die Anzahl geleisteter Überstunden oft gleichbedeutend mit dem sozialen Status in unserer Leistungsgesellschaft. Jetzt zeichnet sich eine Trendwende ab. Die guten Gründe hierfür sind weniger Arbeitszeit, eine ausgewogene Work-Life-Balance, eine gesunde Lebensweise und mehr Leistungsfähigkeit im Job.

Doch lässt sich die Arbeitszeit verkürzen? Und wenn ja – wie? Hier erfährst du, was das Arbeitsrecht dazu sagt.

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Weniger Arbeits­zeit bei vollem Lohn? Freie Ent­schei­dung des Arbeitgebers

Für die jüngere Generation ist es nicht mehr selbstverständlich, dass der Faktor Arbeit das halbe Leben ist. Sie will mehr Zeit, um Lebensziele wie eine bessere Lebensqualität, mehr Selbstverwirklichung  oder die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erreichen. Das beeinflusst auch ihr Verhalten bei der Jobsuche und am Arbeitsplatz.

Vereinzelt gibt es in Unternehmen deswegen bereits pauschale Arbeitszeitverkürzungen bei vollem Lohnausgleich. Ob ein solches Modell eingeführt wird, ist dabei eine freiwillige Entscheidung des Arbeitgebers.

 

Anspruch auf verkürzte Arbeits­zeit: So funk­tio­niert das

Der Gesetzgeber gewährt allerdings prinzipiell einen Anspruch auf Arbeitszeitverkürzung. § 8 Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (TzBfG) besagt: "Ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate bestanden hat, kann verlangen, dass seine vertraglich vereinbarte Arbeitszeit verringert wird."

Dieser Anspruch ist an Bedingungen geknüpft:

  • Es müssen min­des­tens 15 Mit­ar­bei­ter im Unter­neh­men beschäf­tigt sein.
  • Der Antrag auf Arbeits­zeit­ver­kür­zung muss spä­tes­tens drei Monate vor dem Inkraft­tre­ten in Schrift­form gestellt werden.
  • Der Arbeit­ge­ber muss einem Antrag auf Arbeits­zeit­ver­kür­zung grund­sätz­lich zustimmen, wenn keine betrieb­li­chen Belange dagegen sprechen. Wenn aller­dings die verkürzte Arbeits­zeit des Arbeit­neh­mers zum Beispiel die Betriebs­or­ga­ni­sa­ti­on nach­hal­tig stören oder die Betriebs­si­cher­heit gefährden könnte, kann er ihn auch ablehnen.

Ist der Antrag akzeptiert, dann wird ein neuer Teilzeit-Arbeitsvertrag geschlossen – in der Regel mit entsprechend geringerer Entlohnung.

Prinzipiell ist es möglich, die Arbeitszeit blockweise zu verkürzen, sodass der Arbeitnehmer zum Beispiel regelmäßig für einen kompletten Monat freigestellt ist und ansonsten in Vollzeit arbeitet. Entsprechend hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf 2011 entschieden (AZ 11 Sa 360/11). Wenn der Arbeitgeber durch diese Form der Arbeitszeitverteilung aber betriebliche Probleme sieht, kann er sie verweigern.

Wichtig: Es ist ratsam, den Antrag auf Arbeitszeitverkürzung dem Arbeitgeber schriftlich vorzulegen. Eine mündliche Info reicht theoretisch aus, aber die Schriftform ist in puncto Nachweisbarkeit und die Fristwahrung sicherer.

Übrigens: Wer plant, in absehbarer Zeit zur Vollzeit zurückzukehren, kann gegebenenfalls die 2019 eingeführte Brückenteilzeit nutzen. Mehr dazu erfährst du in diesem Streitlotse-Ratgeber. 

 

Arbeits­zeit­ver­kür­zung durch Altersteilzeit

Ältere Arbeitnehmer können eine besondere Form der Arbeitszeitverkürzung in Anspruch nehmen: die Altersteilzeit. Wer sie beantragen möchte, muss folgende Voraussetzungen erfüllen:

  • Min­des­tens drei Jahre bis zum Renteneintritt
  • Min­dest­al­ter: 55 Jahre
  • min­des­tens drei Jahre Arbeit in einem sozi­al­ver­si­che­rungs­pflich­ti­gen Arbeitsverhältnis

Allerdings: Für Altersteilzeit gibt es keinen gesetzlichen Rechtsanspruch. Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen sich im gegenseitigen Einvernehmen auf diese Art der Arbeitszeitverkürzung einigen.

Für die Umsetzung der Altersteilzeit gibt es unterschiedliche Zeitmodelle:

  • Bei der gleich­mä­ßi­gen Redu­zie­rung wird die Arbeits­zeit über den gesamten Zeitraum der Alters­teil­zeit reduziert.
  • Das Block­mo­dell ist eine 50:50-Regelung: In der ersten Hälfte der Alters­teil­zeit wird genauso wei­ter­ge­ar­bei­tet wie zuvor. In der zweiten Hälfte erfolgt dann die voll­stän­di­ge Frei­stel­lung von der Arbeit.

 

Aus­wir­kun­gen der Arbeits­zeit­ver­kür­zung: Das sollten Arbeit­neh­mer bedenken

Die Arbeitszeit zu verkürzen, ist für viele eine interessante Option. Mehr Produktivität, Selbstverwirklichung und Lebensqualität können die Vorteile sein. Sie hat aber auch Nachteile, über die sich Arbeitnehmer vor der Beantragung im Klaren sein sollten.

Weniger Einkommen: Wer seine Arbeitszeit verkürzt, verkleinert auch sein monatliches Nettogehalt. Deshalb ist es ratsam, vor dem Antrag seine Lebenshaltungskosten genau anzuschauen und durchzurechnen, ob das zukünftig geringere Nettogehalt für die Fixkosten und die Erhaltung des eigenen Lebensstandards noch reicht.

Weniger Arbeitslosengeld: In Fall von Arbeitslosigkeit aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung orientiert sich die Höhe des Arbeitslosengeldes (ALG I) am letzten Nettogehalt. Wer vier Jahre in Vollzeit angestellt war und nach einem halben Jahr arbeitslos wird, erhält sein ALG I noch auf Grundlage des Vollzeitgehalts. Wenn ein Arbeitnehmer allerdings dreieinhalb Jahre lang in Teilzeit gearbeitet hat, orientiert sich sein ALG I am letzten Teilzeitgehalt – mit dementsprechenden Einbußen.

Weniger Rente: Gerade in Zeiten drohender Altersarmut ist das kontinuierliche Einzahlen in die gesetzliche Rentenversicherung wichtiger denn je.  Bei einer Arbeitszeitverkürzung fallen die Renteneinzahlungen geringer aus – und entsprechend natürlich auch die Rente.

 

Kann auch der Arbeit­ge­ber die Arbeits­zeit verkürzen?Mehr Informationen zum Thema Arbeitsrechtsschutz

Nicht ohne Weiteres, denn im Arbeitsvertrag ist ja eine bestimmte Anzahl von Arbeitsstunden festgelegt, die für beide Seiten bindend ist. In einigen Fällen geht das aber trotzdem.

Wichtig ist, was im Arbeitsvertrag steht:

  • Ist die Mög­lich­keit einer ein­sei­ti­gen Arbeits­zeit­ver­kür­zung seitens des Arbeit­ge­bers bereits im Arbeits­ver­trag geregelt, ist sie grund­sätz­lich erlaubt.
  • Aller­dings sind Klauseln ungültig, die eine Ver­kür­zung der aktuellen Arbeits­zeit von mehr als 20 Prozent vorsehen.

Der Arbeitgeber darf deine Arbeitszeit auch bei entsprechender Vereinbarung in der Regel nicht ohne konkreten Anlass verkürzen. Es muss eine betriebliche Notwendigkeit gegeben sein – und die muss der Arbeitgeber im Streitfall auch vor Gericht nachweisen können.

 

FAZIT
  • Arbeit­neh­mer haben gemäß dem Gesetz über Teil­zeit­ar­beit und befris­te­te Arbeits­ver­trä­ge (TzBfG) grund­sätz­lich das Recht, ihre Arbeits­zeit zu verkürzen.
  • Der Arbeit­ge­ber hat aber ein Vetorecht, wenn betrieb­li­che Belange der Arbeits­zeit­ver­kür­zung entgegenstehen.
  • Für Arbeit­neh­mer ab 55 Jahren gibt es grund­sätz­lich die Option der Alters­teil­zeit – aller­dings keinen gesetz­li­chen Anspruch darauf.
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