Massenentlassung: Welcher Kündigungsschutz greift? Eine Versammlung von mehrern Menschen, deren Rücken man sieht. © Fotolia/kasto

15. September 2020, 9:28 Uhr

Achtung, das wird teuer Mas­sen­ent­las­sung: Diese Regeln müssen Arbeit­ge­ber einhalten

Wenn Unternehmen in wirtschaftliche Schieflage geraten, steht häufig das Thema Massenentlassung im Raum. Betriebe, die sich auf einen Schlag von vielen Mitarbeitern trennen wollen, müssen allerdings diverse Auflagen nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) erfüllen. Verstoßen Arbeitgeber gegen die strengen Regeln, kann die Kündigung unwirksam sein.

Hält sich dein Chef nicht an arbeitsrechtliche Vorgaben? Wir sind an deiner Seite. >>

Wann spricht man von einer Massenentlassung?

Eine Massenentlassung bedeutet, dass ein Unternehmen gleichzeitig einer erheblichen Anzahl von Mitarbeitern kündigt. Ab wie vielen Kündigungen das der Fall ist, hängt von der Unternehmensgröße ab:

  • In Betrieben mit 21 bis 59 Arbeit­neh­mern bei mehr als 5 Entlassungen.
  • In Betrieben mit 60 bis 499 Arbeit­neh­mern, wenn min­des­tens 10 Prozent der regel­mä­ßig Beschäf­tig­ten oder min­des­tens 25 Arbeit­neh­mer entlassen werden.
  • In Betrieben ab 500 Arbeit­neh­mern bei Kündigung von min­des­tens 30 Beschäftigten.

Den Begriff “Massenentlassung” verwendet der Gesetzgeber selbst zwar nicht. Doch ab den genannten Grenzen müssen Arbeitgeber Kündigungen gemäß § 17 KSchG bei der Agentur für Arbeit anmelden. Und in einem solchen Fall spricht man dann im Allgemeinen von einer Massenentlassung.

Wichtig zu wissen: “Gleichzeitig” bedeutet dabei nicht zwingend, dass den betroffenen Mitarbeitern am selben Tag gekündigt wird. Berücksichtigt werden dabei Entlassungen innerhalb von 30 Kalendertagen. Mehr Informationen zum Thema Arbeitsrechtsschutz

Anzei­ge­pflicht bei der Arbeitsagentur

Wie bereits erwähnt, sind Unternehmen verpflichtet, viele gleichzeitige Kündigungen der Agentur für Arbeit vorab zu melden. Dadurch soll die Behörde möglichst frühzeitig  Vorbereitungen zur Vermittlung der betroffenen Mitarbeiter einleiten können.

Damit dies möglich ist, muss eine Massenentlassungsanzeige gemäß § 17  Abs. 3 KSchG mindestens folgende Informationen enthalten:

  • die Gründe für die geplanten Entlassungen
  • die Zahl und die Berufs­grup­pen, der zu ent­las­sen­den Arbeitnehmer
  • die Zahl und die Berufs­grup­pen, der in der Regel beschäf­tig­ten Arbeitnehmer
  • den Zeitraum, in dem die Ent­las­sun­gen vor­ge­nom­men werden sollen
  • die vor­ge­se­he­nen Kriterien für die Auswahl der zu ent­las­sen­den Arbeitnehmer
  • die für die Berech­nung etwaiger Abfin­dun­gen vor­ge­se­he­nen Kriterien

Sofern der Betriebsrat zustimmt, sollte die Massenentlassungsanzeige außerdem Informationen enthalten über

  • Ge­schlecht,
  • Al­ter,
  • Be­ruf und
  • Staats­an­gehörig­keit

der betroffenen Mitarbeiter. Diese Angaben sind jedoch nicht verpflichtend.

Kündigungen dürfen erst einen Monat nach Eingang der Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit wirksam werden. Die Behörde kann auch eine längere Frist von bis zu zwei Monaten festlegen. Noch kurzfristigere Entlassungen müssen extra genehmigt werden. Damit sorgt die Anzeigepflicht in einem gewissen Rahmen auch für einen zusätzlichen Kündigungsschutz für die betroffenen Mitarbeiter.

INFOBOX

Urteil: Kündigungsschutz gilt auch in der ElternzeitDas Bundesverfassungsgericht hat 2016 geurteilt, dass der Kündigungsschutz bei Massenentlassungen auch für Arbeitnehmer gilt, die sich zum Zeitpunkt der Kündigungswelle in Elternzeit befinden. Ihnen kann per Gesetz eigentlich erst nach Ende der Elternzeit gekündigt werden. Laut Bundesverfassungsgericht sollen solche Kündigungen jedoch so behandelt werden, als wären sie gleichzeitig mit den anderen im Rahmen der Massenentlassung ausgesprochen worden, um Arbeitnehmer in Elternzeit nicht von dem besonderen Kündigungsschutz auszunehmen und sie demzufolge nicht zu benachteiligen (AZ  1 BvR 3634/13).

Betriebs­rat muss beteiligt werden

Noch vor der Arbeitsagentur muss der Betriebsrat über geplante Massenentlassungen informiert werden. Und zwar schriftlich und so früh wie möglich. Spätestens zwei Wochen vor der Massenentlassungsanzeige muss er mit im Boot sein. Für die schriftliche Mitteilung an den Betriebsrat sind dieselben Mindestinformationen vorgeschrieben wie für die Anzeige bei der Arbeitsagentur (s. o.).

Informieren allein reicht allerdings nicht aus: Der Arbeitgeber muss auch mit dem Betriebsrat besprechen, ob sich geplante Entlassungen nicht doch vermeiden lassen. Oder wie sie sich möglichst sozialverträglich gestalten lassen, falls sie unumgänglich sind. Der Betriebsrat darf nicht vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Versäumt es der Arbeitgeber, sich mit dem Betriebsrat zu beraten, ist die Massenentlassung unwirksam.

In vielen Fällen gibt der Betriebsrat eine schriftliche Stellungnahme zu den geplanten Massenentlassungen ab, die der Anzeige bei der Arbeitsagentur beigelegt wird. Verpflichtet dazu ist er jedoch nicht. Gibt der Arbeitgeber die Massenentlassungsanzeige ohne ein solches Statement ab, muss er nachweisen, dass er den Betriebsrat rechtzeitig informiert hat und das Ergebnis der Beratungen darlegen.

Außerdem ist er verpflichtet, dem Betriebsrat eine Kopie seiner Massenentlassungsanzeige bei der Arbeitsagentur zukommen zu lassen.

Was, wenn der Arbeit­ge­ber die Regeln nicht ein­ge­hal­ten hat

Aufgrund der besonderen Regelungen kann es bei Massenentlassungen leicht zu Verstößen gegen die gesetzlichen Auflagen kommen. Darüber hinaus müssen auch bei Massenentlassungen die üblichen gesetzlichen Regelungen zum Kündigungsschutz eingehalten werden. Hast du das Gefühl, dass dein Arbeitgeber nicht alle Auflagen eingehalten hat, solltest du dich umgehend von einem Experten für Arbeitsrecht beraten lassen und eine Kündigungsschutzklage einreichen. Das muss allerdings innerhalb von drei Wochen nach Erhalt der Kündigung geschehen.

Stellt sich heraus, dass ein Unternehmen seinen besonderen Pflichten bei Massenentlassungen nicht nachgekommen ist, sind alle in diesem Rahmen ausgesprochenen Kündigungen unwirksam. Eine Massenentlassungsanzeige kann nicht nachträglich abgegeben werden.

FAZIT
  • Bei einer größeren Kün­di­gungs­wel­le müssen Unter­neh­men den Betriebs­rat und die Arbeits­agen­tur vorab schrift­lich darüber informieren.
  • Ab wie vielen zu kün­di­gen­den Mit­ar­bei­tern eine Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge nötig ist, hängt von der Unter­neh­mens­grö­ße ab.
  • Kün­di­gun­gen können frü­hes­tens einen Monat nach Eingang der Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge bei der Arbeits­agen­tur wirksam werden.
  • Verstößt der Arbeit­ge­ber gegen die Anzei­ge­pflicht bei der Arbeits­agen­tur oder holt er den Betriebs­rat nicht recht­zei­tig ins Boot, sind die im Rahmen einer Mas­sen­ent­las­sung aus­ge­spro­che­nen Kün­di­gun­gen unwirksam.
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