Was ist ein Wegeunfall – und wann gilt er als Arbeitsunfall? © iStock.com/olaser

19. Mai 2022, 8:30 Uhr

Durchatmen Was ist ein Wege­un­fall – und wann gilt er als Arbeitsunfall?

Auf dem Weg zur Arbeit zu spät dran und schon ist es in der Hektik passiert: Du stürzt mit deinem Fahrrad und verletzt dich. Gilt dies jetzt als Arbeitsunfall oder als Wegeunfall? Welchen Unterschied das macht, wie du einen Wegeunfall meldest und was bei einem Unfall auf dem Arbeitsweg versichert ist, erfährst du in unserem Ratgeber.

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Defi­ni­ti­on: Was gilt als Wegeunfall?

Ein Unfall, der während der Arbeitszeit passiert, gilt rechtlich gesehen als Arbeitsunfall. Hierbei genießen Beschäftigte den gesetzlichen Unfallschutz über ihren Arbeitgeber. Doch wie sieht es auf dem Weg zur Arbeit oder auf dem Nachhauseweg aus? In diesem Fall handelt es sich um einen sogenannten Wegeunfall.

In § 8 Sozialgesetzbuch VII (SGB VII) ist festgelegt, dass ein Wegeunfall wie ein Arbeitsunfall gehandhabt wird, wenn du den direkten Weg zur Arbeit oder von der Arbeit zurück genommen hast. Dabei ist es unerheblich, welches Verkehrsmittel du nutzt. Als direkter Weg zur Arbeit oder von der Arbeit gilt auch ein Umweg ...

  • der über Kita oder Schule führt, um betreu­ungs­pflich­ti­ge Kinder abzuholen.
  • der durch die gemein­sa­me Nutzung eines Pkw mit anderen ver­si­cher­ten Berufs­tä­ti­gen zustande kommt.
  • der durch eine Besorgung, das Befördern oder Instand­hal­ten von Arbeits­mit­teln im Auftrag des Arbeit­ge­bers geschieht.
  • Der durch Bau­stel­len oder Umlei­tun­gen ver­ur­sacht wird.

Solltest du nach der Arbeit also zunächst deine Kinder aus der Kita abholen und somit nicht auf direktem Wege nach Hause können, gilt ein Wegeunfall trotzdem als Arbeitsunfall. Auch Erledigungen oder Botengänge für deinen Arbeitgeber, die du auf dem Heimweg unternimmst, sind versichert. Wichtig hierbei: Diese Tätigkeiten müssen ausdrücklich von deinem Arbeitgeber angeordnet worden sein. Nur so kannst du einen möglichen Wegeunfall als Arbeitsunfall geltend machen.

Private Unter­bre­chung des Arbeits­we­ges: Das ist nicht versichert

Gehst du auf dem Nachhauseweg noch kurz in den Supermarkt, ist der dortige Aufenthalt nicht versichert, wohl aber der Weg zum und vom Supermarkt – denn hier setzt du den ursprünglichen, direkten Heimweg fort. Gleiches gilt beispielsweise für das Tanken auf dem Weg zur Arbeit. Verbringst du nach Feierabend allerdings mehr als zwei Stunden mit einer Freundin in einem Café, gilt die Strecke vom Café nach Hause nicht mehr als Wiederaufnahme des eigentlichen Heimwegs von der Arbeit. Dann erlischt auch der Versicherungsschutz.

Gut zu wissen: Der Arbeitsweg beginnt an der Haustür, nicht aber an der Wohnungstür. Solltest du also beispielsweise im Treppenhaus eines Mehrfamilienhauses stürzen, gilt dies nicht als Wegeunfall. Stürzt du auf der Straße vor dem Haus, handelt es sich um einen Wegeunfall.

INFO

Wie das Bundessozialgericht (BSG) 2020 urteilte, bist du bei einem Wegeunfall auch dann gesetzlich unfallversichert, wenn du den Weg zur Arbeit von einem anderen Ort aus als deiner eigenen Wohnstätte angetreten hast (AZ. B2U 2/18 R BSG). Dies gilt auch für den Heimweg, der an einem anderen Ort als deinem Zuhause enden kann, wie beispielsweise der Wohnung von Freunden. Denn entscheidend ist nicht die Länge des Weges oder die Art des Start- und Endpunkts, sondern dass du dich auf dem Weg zur oder von der Arbeit befunden hast.

Wege­un­fall: Das gilt in der Mittagspause

Was für den Weg zur Arbeitsstätte hin und von der Arbeitsstätte weg gilt, gilt auch in der Mittagspause.Verlässt du beispielsweise das Firmengelände, um zu essen, ist der Weg unfallversichert, nicht aber der Aufenthalt in einem Restaurant oder Imbiss. Die Wegstrecke dient dem Verbringen der Dienstpause und ist somit an deine versicherungspflichtige Tätigkeit geknüpft und dementsprechend versichert.

Willst du in deiner Mittagspause lieber shoppen gehen, also private Besorgungen tätigen, bist du nicht unfallversichert. Denn diese Pausenbeschäftigung ist privater Natur und hängt nicht unmittelbar mit der versicherungspflichtigen Tätigkeit zusammen. Hier greift der Versicherungsschutz erst wieder auf dem Rückweg zur Arbeitsstätte.

Das ist auch so, wenn du in die firmeneigene Kantine gehst, um dort deine Pause zu verbringen. Der Versicherungsschutz erlischt beim Betreten der Kantine, auch wenn diese auf dem firmeneigenen Gelände ist. Für Raucher gilt: Auf dem Weg zur Raucherpause wird ein Unfall nicht als Arbeitsunfall gewertet, aber auf dem Weg zurück zum Arbeitsplatz schon. Im Gegensatz zum Weg in die firmeneigene Kantine wird Rauchen als private Tätigkeit aufgefasst, die nichts mit der versicherten Beschäftigung zu tun hat.

Eine junge Frau mit kurzen, grauen Haaren und grünem Oberteil hält eine Plastikschale mit Salat in der einen Hand und in der anderen Hand eine weiße Plastikgabel. Sie schaut links aus dem Bild und lächelt.
@ iStock.com/RgStudio

Nach dem Wege­un­fall: Was tun als Arbeitnehmer?

Falls du auf dem Arbeitsweg verunglückst, solltest du dies deinem Arbeitgeber – wenn möglich – unverzüglich mitteilen. Denn wenn du dich bei dem Unfall verletzt hast, trägt nicht deine Krankenkasse, sondern die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) etwaige Kosten im Zusammenhang mit dem Unfall.

Eine Meldepflicht besteht gemäß § 193 SGB VII dann, wenn du aufgrund des Unfalls mehr als drei Tage arbeitsunfähig wirst, beziehungsweise krankgeschrieben werden musst. Solltest du versterben oder nicht in der Lage sein, den Unfall selbst zu melden, so hat dein Arbeitgeber die Verpflichtung, den zuständigen Unfallversicherungsträger zu informieren.

Je nach Art der Anstellung sind verschiedene Versicherungsträger für deinen Wegeunfall zuständig:

  • Berufs­ge­nos­sen­schaft: für die Privatwirtschaft
  • Unfall­kas­se: für Ange­stell­te des öffent­li­chen Dienstes
  • Gemein­de­un­fall­ver­si­che­rungs­ver­band: für Beschäf­tig­te im Dienst mehrerer Gemeinden

Damit dir mögliche Kosten für Behandlungen und medizinische Hilfsmittel reibungslos ersetzt werden, solltest du beim Arbeitgeber nachhaken, ob er seiner Meldepflicht nachgekommen ist.

Wenn ein Wegeunfall folgenlos bleibt, du also weder verletzt wirst noch einen anderen Schaden davonträgst, ist es dir freigestellt, ob du den Unfall meldest. Solltest du dadurch aber beispielsweise zu spät zur Arbeit kommen, ist es dennoch ratsam, deinem Arbeitgeber Bescheid zu geben.

Achtung: Im Hinblick auf eventuelle Spätfolgen, die zum Zeitpunkt des Unfalls noch nicht absehbar waren, ist es immer sinnvoll, den Vorfall beim Arbeitgeber anzuzeigen. Denn mögliche Kosten für Arztbehandlungen und ähnliches, können dir nur dann vom gesetzlichen Unfallversicherer erstattet werden, wenn du nachweisen kannst, dass es sich um einen Wegeunfall gehandelt hat. Dies ist im Nachhinein oft schwierig.

Unfall­an­zei­ge: Wie melde ich einen Wege­un­fall richtig?

Folgende Schritte sind beim Melden eines Wegeunfalls wichtig:

  • Der Unfall sollte schrift­lich auf­ge­nom­men werden. Hierfür stellt die jeweilige Berufs­ge­nos­sen­schaft bezie­hungs­wei­se der Arbeit­ge­ber in der Regel ent­spre­chen­de Formulare bereit.
  • Dein Arbeit­ge­ber ist in der Pflicht, zwei Kopien deiner Unfall­mel­dung an die Berufs­ge­nos­sen­schaft bezie­hungs­wei­se den ent­spre­chen­den Ver­si­che­rungs­trä­ger zu senden.
  • Eine Kopie der Unfall­mel­dung sollte im Unter­neh­men ver­blei­ben, um den Unfall zu doku­men­tie­ren, ggf. sollte der Betriebs­rat ebenfalls eine Kopie erhalten.

Betroffene haben – den Tag des Unfalls nicht mitgerechnet – drei Tage Zeit, den Unfall zu melden.

Sach­schä­den und Lohn­fort­zah­lung: Was ist versichert?

Die durch einen Wegeunfall verursachten Sachschäden werden nicht von der gesetzlichen Unfallversicherung übernommen. Denn diese kommt nur für gesundheitliche Schäden auf. Geht dein Fahrrad bei einem Wegeunfall kaputt, musst du wohl oder übel selbst für den Schaden aufkommen.

Bist du mit dem Auto zur Arbeit unterwegs und wirst in einen Unfall verwickelt, kommt die Unfallversicherung genauso wenig für Schäden an deinem Fahrzeug auf – denn diese Kosten trägt in der Regel die Kaskoversicherung. Beschädigst du bei einem Wegeunfall das Hab und Gut anderer Personen, solltest du dich mit deiner Haftpflichtversicherung in Verbindung setzen.

Aufatmen kannst du allerdings, wenn du wegen eines Wegeunfalls länger ausfallen solltest – denn in diesem Falle übernimmt der gesetzliche Unfallversicherer deine Lohnfortzahlung. Vorausgesetzt, du hast den Unfall rechtzeitig gemeldet und du bist nicht durch fahrlässiges Verhalten wie etwa durch Alkoholeinfluss selbst schuld an dem Unfall.

Unfall auf dem Weg zur Arbeit: Das gilt im Homeoffice

Seit Corona ist Homeoffice in vielen Unternehmen immer noch an der Tagesordnung. Doch wie sieht es in den eigenen vier Wänden mit dem Unfallschutz aus? Gibt es so etwas wie einen Wegeunfall im Homeoffice überhaupt? Die Antwort lautet: Ja. Stürzt du beispielsweise auf dem Weg vom Bett zum Schreibtisch, gilt dies offiziell als Wegeunfall. Auch wenn dieser „Arbeitsweg” nur ein paar Meter beträgt, genießt du trotzdem den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.

So entschied das Bundessozialgericht 2021 im Falle eines Mannes, der sich morgens auf dem Weg zu seinem Schreibtisch beim Sturz auf der heimischen Treppe verletzt hatte (AZ B 2 U 4/21 R). Als entscheidend sah das Gericht hierbei an, dass der Mann den Weg zurückgelegt hatte, um an seinen Arbeitsplatz zu gelangen.

FAZIT
  • Auf dem Weg zur Arbeit und auf dem Nach­hau­se­weg bist du als Arbeit­neh­mer gesetz­lich unfall­ver­si­chert, wenn du den direkten Weg nimmst.
  • Unter gewissen Umständen bist du auch auf Umwegen unfall­ver­si­chert, wie etwa beim Abholen der Kinder aus der Kita oder auf Boten­gän­gen für den Arbeitgeber.
  • In der Mit­tags­pau­se gilt: Der Weg zur Dienst­pau­se und zurück zur Arbeits­stät­te sind unfall­ver­si­chert, der Auf­ent­halt im Restau­rant oder der Kantine jedoch nicht.
  • Einen Wege­un­fall solltest du schnellst­mög­lich deinem Arbeit­ge­ber melden, um deine Ansprüche auf z. B. Arzt­kos­ten­er­stat­tung nicht zu verlieren.
  • Auch im Home­of­fice sind Arbeits­we­ge unfall­ver­si­chert. Hier kommt es jedoch immer auf den Ein­zel­fall an.
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