Anspruch auf Bildungsurlaub: Wie viel steht mir zu? © Fotolia.com/kasto

8. Februar 2022, 9:00 Uhr

Darf ich eigentlich? Anspruch auf Bil­dungs­ur­laub: Wie viel steht mir zu?

Viele Berufstätige in Deutschland haben einen Anspruch auf Bildungsurlaub. Die Voraussetzungen dafür unterscheiden sich allerdings von Bundesland zu Bundesland. Hier erfährst du, welche Regeln für diese Form der beruflichen Weiterbildung gelten, wer dafür bezahlt und wie viele Tage du dafür frei bekommen kannst.

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Bil­dungs­ur­laub – was ist das?

Bildungsurlaub ist Zeit, die du im Job für deine Weiterbildung nutzen kannst. Das Besondere: Dein Unternehmen muss dir für geeignete Seminare freigeben und während der Maßnahme weiter dein Gehalt zahlen.

Der Grundstein für das Recht auf bezahlten Bildungsurlaub wurde ursprünglich im Übereinkommen Nr. 140 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) gelegt. Die Bundesrepublik Deutschland verpflichtete sich 1974 dazu, Werktätigen einen Anspruch auf Bildungsurlaub einzuräumen, sodass sie sich beruflich, politisch und gewerkschaftlich weiterbilden können. Da die Bundesregierung jedoch kein Gesetz dazu verabschiedete, nahmen die Länder dies selbst in die Hand und formulierten zum Bildungsurlaub eigene Gesetze.

Wer hat einen Anspruch auf Bildungsurlaub?

Die Bestimmungen der Bundesländer zum Bildungsurlaub ähneln sich in weiten Teilen. Daher an dieser Stelle einige wichtige Punkte, die so oder so ähnlich in den meisten Bundesländern gelten.

  • In der Regel haben nur Fest­an­ge­stell­te auf Bil­dungs­ur­laub Anspruch.
  • Das Arbeits­ver­hält­nis muss min­des­tens zwischen sechs Monaten und zwei Jahren bestehen – je nach Bundesland.
  • Für Beamte und Aus­zu­bil­den­de gelten geson­der­te Bedingungen.
  • Ent­schei­dend ist für den Anspruch auf Bil­dungs­ur­laub ist der jeweilige Arbeits­ort, nicht der Wohnort der Beschäftigten.
  • Der Anspruch entfällt teils bei Klein­un­ter­neh­men mit weniger als fünf oder zehn Beschäftigten.
  • Als Bil­dungs­ur­laub anerkannt sind Angebote, die mit der jewei­li­gen beruf­li­chen Tätigkeit zusam­men­hän­gen, aber auch Lehrgänge zur poli­ti­schen Bildung oder für per­sön­li­che Zwecke sowie zur Vor­be­rei­tung auf ehren­amt­li­che Dienste.

Wie viel Bil­dungs­ur­laub steht Arbeit­neh­mern zu?

In den meisten Bundesländern beläuft sich der grundsätzliche Anspruch entweder auf fünf Tage pro Kalenderjahr oder zehn Tage innerhalb von zwei Jahren. Allerdings gelten innerhalb von Betrieben unter Umständen gewisse Kontingente an Bildungsurlaub, die die Belegschaft nutzen darf. Ist diese Menge an Tagen aufgebraucht, können weitere Anträge abgelehnt werden.

In einigen Ländern kannst du nicht genommene Tage für den Bildungsurlaub ins nächste Jahr übertragen. Auch möglich: Du fasst deinen Anspruch auf Bildungsurlaub von zwei Jahren zusammen, um in einem Jahr beispielsweise ein zehntägiges Angebot zu nutzen. Voraussetzung dafür ist oft, dass du dies deinem Arbeitgeber in jenem Jahr, in dem du den längeren Bildungsurlaub antreten willst, schriftlich mitteilst. Wechselst du deinen Job, kannst du die bei deinem alten Arbeitgeber aufgelaufenen Zeiten für Bildungsurlaub nicht mitnehmen. Es gelten dann für dich die Bestimmungen deines neuen Arbeitgebers.

Mehr zu den einzelnen Richtlinien für dein Land erfährst du beim Deutschen Bildungsserver. Übrigens: Liegt dein Arbeitsplatz in Bayern oder Sachsen, hast du keinen gesetzlichen Anspruch auf Bildungsurlaub. In beiden Ländern gibt es dahingehend weder ein Gesetz noch eine andere Rechtsgrundlage. Hier kommt es auf die Regelung bei deinem Arbeitgeber an.

Lehrer und zwei Schüler lernen am Laptop.
© iStock.com/skynesher

Wer trägt die Kosten für den Bildungsurlaub?

Für die Zeit des Bildungsurlaubs erhältst du weiterhin dein Gehalt. Alles andere musst du selbst tragen. Dazu zählen Kosten für …

  • die Bil­dungs­maß­nah­me.
  • die Hin- und Rückreise.
  • die Unter­kunft.
  • die Ver­pfle­gung.

Es steht deinem Unternehmen allerdings frei, sich daran zu beteiligen. Es lohnt sich also, bei deinen Vorgesetzten nachzufragen. Je enger der Bildungsurlaub mit deiner Tätigkeit zusammenhängt, desto besser stehen deine Chancen, wenigstens einen Zuschuss zu erhalten.

Welche Angebote gibt es?

Im Wesentlichen ist Bildungsurlaub zur politischen und beruflichen Weiterentwicklung gedacht. In der Praxis ergibt sich daraus allerdings ein sehr weites Feld an Angeboten. Dazu zählen Themenkreise wie:

  • Gesell­schaft und Politik
  • Ökologie und Umwelt
  • EDV
  • Marketing
  • Soziale Medien
  • Gesund­heit
  • Stress­be­wäl­ti­gung
  • Psy­cho­lo­gie
  • Pädagogik
  • Kreative Techniken im Beruf

Mehr zu diesen und weiteren Inhalten von Bildungsurlauben erfährst du beispielsweise bei Bildungsurlaub.de. Dort sind mehr als 8.000 Seminare gelistet (Stand: Januar 2022).

Bil­dungs­ur­laub bean­tra­gen: So geht’s

Folgende Voraussetzungen und Bedingungen sind in der Regel zu beachten:

  • Du hast einen Anspruch auf Bildungsurlaub.
  • Das gewünsch­te Angebot ist an deinem Arbeits­ort als Bil­dungs­ur­laub anerkannt.

Und so solltest du vorgehen:

  • Rechne durch, ob du dir den Bil­dungs­ur­laub finan­zi­ell leisten kannst.
  • Für den Fall, dass du den Bil­dungs­ur­laub nicht antreten kannst, solltest du auf die Bedin­gun­gen zu Stor­nie­run­gen achten.
  • Melde dich für das betref­fen­de Programm an.
  • Beantrage den Bil­dungs­ur­laub bei deinem Arbeit­ge­ber. Das ist manchmal formlos möglich. Besser ist es aber, den Antrag auf Bil­dungs­ur­laub schrift­lich ein­zu­rei­chen. Ein Muster findest du zum Beispiel beim W.A.F. Institut für Betriebs­rä­te-Fort­bil­dung. Teils sind für Anträge bestimmte Fristen vor­ge­schrie­ben, die du einhalten musst. Sie reichen je nach Bun­des­land von vier bis zu acht Wochen vor der Maßnahme. Außerdem musst du deine Anmel­de­un­ter­la­gen für das Angebot bei deinem Unter­neh­men einreichen.
  • Bewahre sämtliche Dokumente im Zusam­men­hang mit dem geneh­mig­ten und absol­vier­ten Bil­dungs­ur­laub auf. Damit kannst du später in deiner Steu­er­erklä­rung „Auf­wen­dun­gen für Wei­ter­bil­dung“ geltend machen.
Yogalehrerin trainiert mit einer Senioren-Yogaklasse.
© iStock.com/SilviaJansen

Bil­dungs­ur­laub vom Arbeit­ge­ber abgelehnt – was tun?

Ob und welchen Bildungsurlaub du in Anspruch nimmst, darf dir dein Arbeitgeber nicht vorschreiben. Allerdings kann es passieren, dass dein Unternehmen nicht mit einem Seminar einverstanden ist, weil es dessen Zusammenhang mit der Arbeit anzweifelt und es deshalb nicht genehmigen will. Ein derartiger Fall wurde 2018 vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg verhandelt (AZ 10 Sa 2076/18).

Dabei ging es um einen Arbeitnehmer, der den fünftägigen Kurs „Yoga I – erfolgreich und entspannt im Beruf mit Yoga und Meditation” an einer Volkshochschule als Bildungsurlaub beantragt hatte. Sein Arbeitgeber wollte diesen Kurs nicht genehmigen. Daher zog der Mann zunächst vor das Berliner Arbeitsgericht, das dem Unternehmen recht gab. Dieses Urteil revidierte das Landesarbeitsgericht in der Berufungsinstanz zugunsten des Klägers.

Die Begründung: Der Kurs wolle „die Anpassungsfähigkeit und Selbstbehauptung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern unter den Bedingungen fortwährenden und sich beschleunigenden technischen und sozialen Wandels” fördern. Dieses Ziel könne ein Yogakurs mit einem geeigneten didaktischen Konzept erreichen. Da Bildungsurlaub inhaltlich weit gefasst sein, würden in diesem Fall die Voraussetzungen gemäß § 1 Berliner Bildungsurlaubsgesetz (BiUrlG) erfüllt.

Weitere mögliche Gründe für eine Ablehnung:

  • Die Anmel­de­frist wurde nicht eingehalten.
  • Das Angebot ist nicht als Bil­dungs­ur­laub ausgewiesen.
  • Das betrieb­li­che Kon­tin­gent an Bil­dungs­ur­laub ist bereits ausgeschöpft.

Möchtest du dennoch an deinem Antrag festhalten, solltest du zunächst das Gespräch mit deinen Vorgesetzten suchen. Bleibt das erfolglos, kannst du die Ablehnung vom Betriebsrat oder von juristischer Seite prüfen lassen.

FAZIT
  • Bil­dungs­ur­laub wird über Gesetze der Bun­des­län­der geregelt.
  • Anspruch auf Bil­dungs­ur­laub haben in der Regel Fest­an­ge­stell­te, Aus­zu­bil­den­de und Beamte.
  • Der Arbeit­ge­ber kann den Bil­dungs­ur­laub ablehnen, wenn bei­spiels­wei­se Fristen miss­ach­tet werden, er den Zusam­men­hang mit dem Job anzwei­felt oder das Bil­dungs­ur­laub-Kon­tin­gent für das Jahr schon aus­ge­schöpft ist.
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