
21. Juli 2020, 13:04 Uhr
Durchatmen Mehrwertsteuersenkung: Was Verbraucher jetzt wissen müssen
Um die Wirtschaft nach der Corona-Krise wieder anzukurbeln, hat die Bundesregierung eine Mehrwertsteuersenkung bis Ende des Jahres beschlossen. Seit dem 1. Juli 2020 gilt ein Mehrwertsteuersatz von 16 statt 19 Prozent. Und der reduzierte Satz, der zum Beispiel für Lebensmittel gilt, beträgt vorübergehend 5 statt 7 Prozent. Klingt erstmal gut, aber was bringt das im Alltag?
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Händler müssen Steuersenkung nicht an Kunden weitergeben
Die Idee hinter der Mehrwertsteuersenkung ist, dass jeder davon profitiert, der sie zahlen muss. Trotzdem sind Händler nicht verpflichtet, den reduzierten Steuersatz an ihre Kunden weiterzureichen. Sie können ihre Preise auch so lassen wie zuvor und verdienen dementsprechend mehr an dem verkauften Produkt oder an der vereinbarten Dienstleistung. Du kannst also nicht darauf bestehen, jetzt zwei Cent weniger für die Kugel Eis zu bezahlen. Es steht dir natürlich frei, die Eisdiele zu wechseln.
Generell gilt: Kunden dürfen Rechnungen nicht eigenmächtig um drei Prozent kürzen, selbst wenn fälschlicherweise 19 Prozent Mehrwertsteuer (kurz: MwSt) angesetzt wurden. Rein rechnerisch zahlst du damit dann nämlich zu wenig und gerätst rechtlich gesehen in Zahlungsverzug. Die um drei Prozentpunkte reduzierte Mehrwertsteuer macht nämlich mathematisch nur einen Preisnachlass von rund 2,5 Prozent aus. Beim reduzierten Steuersatz liegt die Ersparnis sogar nur bei 1,9 Prozent.
Rechenbeispiel
- Nettopreis 200 Euro zzgl. 19 % MwSt (entspricht 38 Euro) = 238 Euro
- Nettopreis 200 Euro zzgl. 16 % MwSt (entspricht 32 Euro) = 232 Euro
Hast du eine Rechnung mit falschem Mehrwertsteuersatz erhalten, reklamiere sie umgehend und verlange eine korrigierte Version.
Lieferdatum ist entscheidend
Während die Mehrwertsteuersenkung bei Alltagseinkäufen oft nur ein paar Cent ausmacht, kann Sie bei größeren Ausgaben deutlich spürbar sein. Einen Neuwagen mit einem Netto-Listenpreis von 36.000 Euro macht die Mehrwertsteuersenkung um mehr als 1.000 Euro aus günstiger. Wer sein neues Auto schon in der ersten Jahreshälfte bestellt hat, kann trotzdem von der Mehrwertsteuersenkung profitieren, wenn die Auslieferung nach dem 1. Juli 2020 erfolgt.
Entscheidend für den Mehrwertsteuersatz ist nämlich das Datum der Leistungserbringung beziehungsweise der Liefertermin. Das gilt nicht nur für den Autokauf, sondern grundsätzlich. Wenn du beispielsweise im Mai ein Angebot für eine Handwerkerleistung mit 19 Prozent Mehrwertsteuer eingeholt hast, aber der Auftrag erst im Juli ausgeführt wurde, darf der Handwerker auf der Rechnung nur 16 Prozent Mehrwertsteuer ausweisen – unabhängig davon, was im Kostenvoranschlag stand. Auch wenn Rechnungen für im Dezember erbrachte Leistungen oder ausgelieferte Waren erst 2021 gestellt werden, muss noch der vorübergehend reduzierte Mehrwertsteuersatz angewendet werden.
Schlechtere Chancen auf Preisnachlass bei Festpreisen
Ebenfalls wichtig: Wurde bei Vertragsabschluss der Brutto- oder Nettopreis vereinbart? Verbindliche Festpreise inklusive Mehrwertsteuer, die vor dem 1. Juli ausgehandelt wurden, bleiben bestehen. Du kannst natürlich trotzdem bei deinem Vertragspartner nachhaken, ob ein Preisnachlass in Höhe der Mehrwertsteuersenkung drin ist. Einlassen muss er sich darauf jedoch nicht.
Was, wenn ich schon eine Anzahlung geleistet habe?
Bei größeren Anschaffungen mit längeren Lieferfristen muss nach Vertragsabschluss oft eine Anzahlung geleistet werden. Hast du bereits einen Teilbetrag einer Rechnung bezahlt, die jetzt niedriger besteuert wird, muss der neue Mehrwertsteuersatz auch dafür angewendet werden. Der Händler muss die Rechnung entsprechend korrigieren. Heißt: Du hast quasi ein kleines Guthaben durch die niedrigere Mehrwertsteuer.
Ausnahmen: Was nicht günstiger wird
Bevor du dich zu früh freust: Auf bestimmte – oft nicht gerade geringe – Ausgaben hat die Mehrwertsteuersenkung keinen Einfluss. Die Miete wird leider nicht günstiger, da sie nicht mehrwertsteuerpflichtig ist. Ein kleiner Hoffnungsschimmer: Immerhin bei der Nebenkostenabrechnung für 2020 könnte es preiswerter werden. Genaue Regelungen dazu stehen allerdings noch aus.
Auch Versicherungsbeiträge bleiben so wie sind. Denn darauf wird ebenfalls keine Mehrwertsteuer erhoben.
- Verbraucher haben keinen Anspruch darauf, dass Händler und Dienstleister den reduzierten Mehrwertsteuersatz an sie weitergeben.
- Entscheidend für den Steuersatz ist der Liefer- oder Leistungstermin, nicht das Bestelldatum.
- Rechnungen dürfen nicht eigenmächtig gekürzt werden.
- Geleistete Anzahlungen müssen mit dem neuen Mehrwertsteuersatz verrechnet werden.
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